Roger Willemsen

Willemsen war in der Anschauung der Medien ein ‚Intellektueller‘. In dieser  Funktion wurde er vermutlich von denjenigen bewundert, die ohnehin gerne  Geistesgrößen bewundern. Als Mensch bzw. biologisch-virtuelles Abbild im  Fernsehen war er jedoch anders, eher linkisch und schüchtern.

In einem recht berührenden Nachruf von Arno Widmann in der Berliner Zeitung  stellte der Autor als ‚Wesensmerkmal‘ die theoretische Neugierde fest, die  Willemsen antrieb. Widmann erklärt das mit dem Willen, alles verstehen und  erfahren zu wollen. Er räumte ein, dass man jedoch immer nur neuen Fragen  hinterher laufen könne, da die Welt zu viele Phänomene birgt. Damit erfährt  man das ständige Scheitern.

Damit verbindet sich ein anderer Blick auf dieselbe Thematik. In einer  Zeitschrift zur Erwachsenenbildung mühten sich gleich mehrere Autoren zu  eruieren, was überhaupt ein Erwachsener ist. Die Fragestellung ist  faszinierend, weil sie zunächst niemand aufwirft, und dann – so man sie  ernsthaft zulässt – einen enormen Reigen an Antworten bietet. Denn auch  hier: es lassen sich zwar die Unüberlegtheiten von Kindheit und Jugend  überwinden – doch ist man dann schon er-wachsen? Haben sich alle Talente  entfaltet? Konnte man alle Optionen nutzen? Ist man nur der Jugend  ent-wachsen, nicht aber schon zur Reife und Blüte gelangt?

Es handelt sich schlicht um die Grundfrage der Philosophie: was bin ich in  dieser Umwelt? Willemsen war kein abgedroschener Intellektueller, der nur  schlau daher redete. Das Feuer an Fragen, die er sich – samt für seine  Mitmenschen – stellte, demonstrierte, dass er sich nicht zutraute, sich  selbst als erwachsen zu sehen. Zu wenig konnte er erklären, zu viel war  offen. Aber er hat sich ehrlich bemüht, Zusammenhänge zu erschließen und zu  formulieren.

Wenn ich den Mann gelegentlich im Fernsehen sah, hatte ich dieses  Unwohlsein, ja Argwohn. Der war in seiner Stimme begründet, die mir  arrogant und wissend klang. Doch beim zweiten Zuhören bemerkte ich diese  kindliche Offenheit, die Neugierde, das Fragen. Zwischenzeitlich sehe ich,  dass dies vorbildlich ist.

Was ist eigentlich so schlimm an Schleppern?

Zu Beginn des Flüchtlingsstroms im letzten Jahr wurde ein Konsens aller etablierten Akteure öffentlich, dass die Schlepper Ursache allen Übels sind, das den Flüchtlingsstrom erst ausgelöst hat. Die Medien berichteten runde vier Wochen lang darüber, dass man den Schurken das Handwerk legen müsse. Dann würde schon alles gut.

Ich hatte mich damals über die Nachricht gewundert. Selbst Politiker, die ich als verantwortlich agierend wahrgenommen hatte, äußerten sich in dem Sinn. Was nur trieb sie dazu, diesen Unsinn zu glauben? Denn es dürfte doch wohl klar sein, dass auch Menschen ohne einen kommerziellen Dienstleister ihren Weg zu sicheren Rückzugsorten finden würden.

Es wurde über die Schlepper gesagt, dass sie sich nur bereicherten und die Flüchtlinge rücksichtslos behandelten. Das Bild von gestrandeten oder gar zu Tode gekommenen Flüchtlingen wurde zur Assoziation mit den Menschen, die Schlepper oder Schleuser genannt werden.

Es sind jedoch keine Ver-schlepper, sondern Dienstleister, die eine Not von Menschen aufgreifen und lindern. Sie verdienen Geld damit. Auch wenn ihre Summen hoch erscheinen, ist schwer zu beurteilen, ob es sich angesichts des Aufwands und des Risikos nicht auch um faire Preise handelt. Man könnte zudem anführen, dass eine Nachfrage stets ein Angebot nach sich zieht.

Niemals wird behauptet, die Schlepper wären Menschenfreunde. Sie nehmen in der öffentlichen Wahrnehmung und im öffentlichen ‚Glauben’ einfach nur die Rolle des Bösen ein. Ganz objektiv allerdings sind sie vielleicht auch einfach nur Opfer ihrer schlechten Ausbildung.

Dennoch gibt es auch dieses andere Bild. Immerhin dürfte man sie als talentierte Logistiker nennen. Es sind eben auch Menschen, die anderen Menschen zur Flucht verhelfen.

Vergleicht man ihr Handeln mit Soldaten oder humanitären Organisationen (die eben auch bei der Flucht helfen oder sie organisatorisch lösen), so könnte man sagen, dass die immerhin kein Geld dafür nehmen. Doch werden die nicht einfach nur aus anderen Quellen bezahlt? Sie würden wohl schlechterdings Fluchthilfe organisieren, gebe es nicht genau diese Quelle zu ihrem eigenen Unterhalt.

Woraus also kommt eigentlich unser Zorn auf die Schlepper? Kann es sein, dass es damit zu tun hat, dass Staat und Politik ihre Macht verloren haben? Sind wir vielleicht einfach mit dem Ergebnis unzufrieden, nämlich dass wir plötzlich selbst eine Verantwortung für die Geflüchteten auf uns nehmen müssen? Jedenfalls ist der Schlepper die einfachste – und gleichzeitig unlogischste – Erklärung für das Phänomen Flucht. Sie sind – wenn auch ein wichtige – Begleiterscheinung!

Dies sollte uns auch im Drang zur raschen Suche nach Verantwortlichkeiten und Schuldigen davor behüten, rasch Klarheit um jeden Preis schaffen zu wollen. Zwar ist das ‚Klären’ für unser Gleichgewicht wichtig – aber nicht auf Kosten unserer Rationalität und der Abwägung.

Michelsen

In meinem Haus wohnte einst ein Ruheständler, der irgendwie recht jung geblieben aussah. Man begegnete ihm meist auf dem Innenhof. Er grüßte leise, ja geradezu zaghaft. Ich hatte immer das Gefühl, das er bloß nicht auffallen wollte. Dieser Mann war vielleicht 60 Jahre alt. Ich habe ihn in den zwei Jahren, als ich ihn wahrnahm, niemals mit einem anderen Menschen sprechen sehen. Er ging leicht nach vorne über gebeugt, vielleicht auch weil er oft Jutetaschen über den Schultern hingen hatte. Er hatte rotblondes Haar, das sich recht zerzaust auf seinem Kopf formierte. Seine Augen waren blau, dieses blau, von dem man denkt, aus ihm würden Ehrlichkeit und Traurigkeit sprechen. Ich dachte nur ein paar Mal bewusst an ihn. Das war 2 x an Silvester, als wir von der Straße zurückkehrten und die Ballerei hinter uns ließen. Dann schaute er aus dem Fenster seiner Wohnung in den Innenhof, wo es für ihn eigentlich nichts zu sehen gab, da es dunkel war und man nicht in die Weite schauen konnte. Dann hoben wir kurz die Gläser und prosteten ihm zu.

Herr Michelsen, so sein Name, ist tot. Nachbarn informierten mich bei einer Versammlung mit Pflicht erfülltem und leicht angewidertem Gesicht: „das war der Alkoholiker aus dem ersten Stock.“ Trotz des Programms während der Versammlung dachte ich damals bei mir ‚oh Gott, nun ist er vermutlich einfach ganz alleine in seiner Wohnung gestorben’. Sein Schicksal verband ich mit der Vorstellung einer totalen und absoluten Einsamkeit, hatte ich ihn doch nur als Einzelgänger wahrgenommen.

Wer nur gedenkt seiner? Es ist dieses finale Verschwinden, was im Tode entscheidet, wie schrecklich er sein kann. Alle Trauergedichte, die ich kenne, sprechen von einem Weiterleben in den Gedanken und Erinnerungen von Angehörigen und Mitmenschen. Was aber passiert, wenn man nicht nur einsam gestorben ist, sondern auch vereinsamt war?

Was eigentlich hat ein Mensch zu tun, wenn er keine Arbeit mehr hat, wenn vermeintlich alle Pflichten seines Lebens verschwunden sind? Dann ist das schon wie der Tod, der diesen Menschen allmählich fester umarmt. Die Sicht und die Aussicht auf das Nichts sind keine Entbehrung, sondern eine radikale Entmenschlichung.

Jeder von uns hat so einen Herrn Michelsen in seiner Nachbarschaft wohnen. Mindestens sollte man ihn an Silvester oder einem anderen Feiertag zu einem Bier oder Kaffee bitten. Das habe ich mir fest vorgenommen!

Tode

Diese Woche erhielt ich gleich zwei Todesnachrichten. Der Tod ist in unserer Gesellschaft derart mystifiziert, dass man sich regelhaft und wie von einem mechanischen Automatismus gesteuert durcheinander und aufgewühlt fühlen muss.

Das verhält sich so bei der Übergabe der schlechten Nachricht – vielfach im Fernsehen gesehen und wohl täglich in einem Film erlebbar. Dann schreien die Menschen; sie brechen sofort in Tränen aus; oder sie starren vor sich hin. Im Leben jenseits der Leinwand sind sie zunächst nur ungläubig.

Auch gibt es diejenigen, die sofort reagieren, in dem sie sich das Ableben erklären: er sah aber auch schlecht in den letzten Monaten aus; sie hatte auch keine Lust mehr; das wundert mich nicht bei seinem Lebensstil; und ich hätte schon früher damit gerechnet.

So melden sich ‚Trauernde‘ mit Sätzen wie „ich habe mit Bestürzung den Tod von x‘ wahrgenommen.“ „Man muss die Hinterbliebenen mit ihren Gefühlen nun alleine lassen.“ Das schont die. Es ist ‚das’ Ritual unserer Gesellschaft, verbal beizustehen und gleichzeitig sozial fernzubleiben. Was nur sagt das dem, der diese Sätze lesen oder hören muss?

Ich selbst habe eher Interesse daran, den Näherstehenden irgendetwas Sinnvolles mitzuteilen. Da ich keine Schulung als Trauerredner durchlaufen habe, weiß ich wirklich nicht, worauf dabei zu achten ist.

Ich folge dabei keinem Muster: ich versuche nur, Nähe zu vermitteln und zu verstehen zu gehen, dass ich die unmittelbare Phase kenne; ich schreibe etwas über den toten Menschen; und spreche aber auch über meinen eigenen Alltag, um das Fenster des Lebens als offen und gegenwärtig zu beschrieben. Ob das richtig ist, weiß ich nicht.

Aber ich versuche, mich nicht feige zu entziehen.

Gut aussehen

Dieser Blick des Mitmenschen hinter mich in den Spiegel oder in das Schaufenster irritiert mich immer wieder: Da steht eine Frau jenseits der 12 Jahre vor mir und misst sich im Spiegel. Darüber hinaus wird dann noch getupft, das Haar gerichtet. Oder aber man rotiert ein wenig, um sich von allen Seiten beschauen zu können.

Der wichtigste Wert von adoleszenten Mädchen ist ‚gut aussehen‘. Das ergeben Umfragen von Jugendbarometern.

Wieso eigentlich will man das? Man will doch nicht angegafft werden, Frauen schon gar nicht. Es gibt so viele Gründe, die sich in diesem Verhalten bündeln könnten: die Brautschau beginnt; durch schickes Aussehen sichert man sich die Sympathien und Beachtung anderer; das schlichte ästhetische Empfinden treibt uns dazu; man möchte sie Peer Group oder das Milieu kopieren.

Letztlich aber handelt es sich wohl darum, zum einen nicht unangenehm aus der Masse hervorzustechen, sich zum anderen dem wohlwollenden Blick der anderen zu versichern.

Der Gegensatz zu alledem ist die Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Äußeren. Das ist auch ein Statement: Euer Urteil ist mir unwichtig!

Die Entscheidung dürfte im Freiheitskampf jedes Menschen, also in der Pubertät und seiner späteren Vollendung angelegt sein. Entweder es treibt den jungen Menschen, den Durchschnitt der Erwachsenen einer Gesellschaft zu kopieren – oder man grenzt sich bewusst ab.

Es gibt auch den Satz ‚heute habe ich ganz gut ausgesehen‘. Der bezieht sich aber auf Leistung – nicht auf Aussehen. Analog wäre: heute war ich ganz gut; heute ist mir etwas gelungen. Dennoch: es geht auch hier zum das Aussehen des Tuns.

Es handelt sich eben um den ewigen Sozialvergleich und der Selbstversicherung, ok zu sein. Es ist jedoch verwunderlich, bezieht man dies auf seinen Körper und sein Gesicht als Kristallisationspunkt. Denn das ist nun wirklich nicht der Ausdruck des Menschen.

Der Rheinländer

Der Rheinländer an sich schwankt zwischen Frohsinn, Reden und Feiern. Man muss sich fragen, ob dort eigentlich jemals geweint, getrauert oder lamentiert wird.

Es gibt dieses Lied von den Höhnern: „Kumm, loss mer fiere, nit lamentiere jet Spass un Freud, dat hät noch keinem Minsch jeschad Denn die Trone, die do laachs, musste nit kriesche, loss mer fiere op kölsche Aat.“

„Komm, lass uns feiern, nicht lamentieren etwas Spaß und Freude, hat noch keinem Menschen geschadet Denn die Tränen, die du lachst, musst du nicht weinen lass uns feiern auf kölsche Art.“

Andere Menschen sind angesichts dieser permanent guten Laune zumindest erstaunt. Man fühlt sich meist aber beschwingt, angenommen und wohl. Andererseits folgert man fast intuitiv, dass der Frohsinn mit Oberflächlichkeit verbunden sein muss.

Die zentrale Frage lautet: kann man zum Rheinländer werden? Kann man für sich selbst entscheiden, das Gemüt eines Rheinländers einzunehmen? Oder muss man dazu schon als Kind sozialisiert werden? Hat man je eine Chance, dies nachzuholen?

Eine weitere zentrale Frage: können solche Menschen überhaupt ernsthaft nachdenken? Gibt es Denker, die Rheinländer und Philosophen waren? Kann ein Karnevalist auch den Ernst des Lebens annehmen?

Und wieso ist dieser ‚Schlag von Mensch’ überhaupt geboren worden? Gibt es dafür eine historische Erklärung? Kann ein Historiker überhaupt eine solche Frage methodisch angehen? Gibt es gar eine histographische Schule von Rheinländern als Autoren und als Forschungssubjekt?

Die Fragen suchen noch ihre antwort. Vielleicht wird sie mir ein weiteres Karnevalslied zuführen.

Der hässliche Bildungsbürger

Es gibt dieses Lamento des Bildungsbürgern, dass die Qualitätskultur stirbt. Dies verdichtet sich regelmäßig in dem Beispiel, dass der Printjournalismus nicht mehr das sei, was er früher einmal war. Die FAZ kann man kaum mehr lesen; die ZEIT hat stark abgenommen.

HHmmh, denke ich dann immer. Als Reflex fällt mir nur die Frage an mich selbst ein, wieso ich das selbst nie bemerkt habe. Dann muss ich mir eingestehen, dass ich früher eben auch kaum Tagespresse gelesen habe. Wenn ich mich dann frage, wieso das nur geschehen ist, fällt mir ein, dass ich Zeitungslektüre uncool fand. Ich befand damals eben, dass man ohnehin alle Nachrichten über die Welt mitbekommt. So entschied ich mich für die Klassiker der Literatur, nicht für die Zeitung.

Dann aber kommt mir eine weitere Erinnerung ins Lebensgedächtnis, dass ich den Wandel des SPIEGELs hin zu mehr Kürze und prägnanteren Aussagen toll fand. Denn durch einen Freund meines Vaters erhielt ich die Ausgaben, wenn sie ausgelesen waren. Diese Pointen, die klaren Aussagen und die Formulierungen bewunderte ich – und tue es noch immer.

Ich kann also die Bewertung, alles werde schlechter, schlicht nicht stützen. Aber vielleicht ist mir auch etwas entgangen, was mir die Kritiker an Erfahrungen voraushaben. Aber deswegen habe ich auch große Probleme, der Beurteilung Glaubwürdigkeit zu schenken. Denn woher wissen das eigentlich all‘ die anderen meiner Generation. Haben die wirklich früher schon Tagespresse gelesen?

Und ähnlich geht es mir auch bei den anderen Kulturhochburgen, wie von Filmen, bildender Kunst, Musik usw. Denn zu ihrer Beurteilung gehört doch auch Expertenwissen, wenn schon nicht persönliche Evidenz ausreicht.

Diese Menschen habe ich unter Verdacht. Der Verdacht heißt: Betrug der anderen, und Selbstbetrug.

Die message allerdings ist klar: die jüngeren sind nicht so wie wir älteren. Sie folgen uns nicht. Und sie würdigen nicht das Quantum an Lebenszeit und Erfahrungen.

 

Award of Common Sense

Samstag Abend-Fernsehen heißt Shows anzuschauen, die Glitzer, Prominenz und heile Welt demonstrieren. Gelegentlich schafft es auch eine Quizsendung in die ‚prime time‘. Oder aber ein Redaktionsstab kommt zum Schluss, dass lieber ein Spielfilm gezeigt wird.

Ich frage mich, wieso man nicht Einschaltquoten von 30 Prozent für eine Preisverleihung des ‚gesunden Menschenverstands‘ erzielen könnte. Es werden so viele Menschen am Ende eines Jahres gewürdigt, die zivil Couragierten, die Ehrenämtler, die Hochleiter, die Sportler und viele mehr. Doch die Kategorie des gesunden Menschenverstandes fällt aus.

Das sollte nicht Volksbildung sein, sondern Anregung zum kollektiven Nachdenken. Gerade in Deutschland würde es sich lohnen, da dieses Gedankenbild ein Schlagwort ohne Unterbau ist.

Was ist gesunder Menschenverstand überhaupt? Im Wörterbuch steht dort dazu: „einfachen, erfahrungsbezogenen und allgemein geteilten Verstand des Menschen“ zu zeigen. Übrigens: einen un-gesunden Menschenverstand gibt es nicht.

Die Ähnlichkeit zu Fairness, Pragmatismus oder geradeaus Denken drängt sich auf. Doch die Nuancen weisen in eine andere Richtung. Dreh- und Angelpunkt sind das Richtige und Sozialverträgliche.

Deutsches Denken dagegen ist Bewerten. Als Kampfbegriff kann dann ‚gesunder Menschenverstand‘ dienen, wenn er im Streitgespräch dem Gegenüber entgegen geschleudert wird. Das aber ist eine Vergewaltigung des Begriffs.

Zurück zur Idee deiner Jahresend-Show: Aus welchen Kategorien würde man dann Preisträger rekrutieren können? Welche Kategorien könnte man bilden? Und welche Handlungsweisen würden dann mit gesundem Menschenverstand begründet?

Fazit: es wird nicht leicht sein, sich eine unterhaltsame Show vorzustellen.

Abhängen

Es gibt zwischenzeitlich so viele Worte für Entspannen, die nicht nur Kultcharakter und Bedeutung von Ritual haben, sondern auch Leitlinien des Handelns und Schlüsselworte einer ganzen Generation sind: chillen, abhängen, …

Es handelt sich meist um jüngere Menschen zwischen 20-30 Jahren, die den Zustand auch als zentrales Element ihres Lebens begreifen, da sie damit der Work-life-Balance Genüge tun.

Die biologische Entwicklung des Menschen ist die ungebrochener Aktivität. Blickt man in die Evolution unserer Spezies, dann ist das die Phase höchster Leistungsfähigkeit. Es ist in der Abfolge der Generationen die Periode, in der junge Frauen und Männer durch ihren Einsatz für Ihre Gemeinschaft ihr überleben sichern, indem sie die Nahrungsgrundlage besorgen und für die nächste Generation sorgen.

Tatsächlich muss man sich fragen, ob das auch weiterhin ein Auftrag ist, da doch der Mensch so vielfältige Unterstützungsstrukturen aufgebaut hat, dass er dieses Verhaltens nicht mehr bedarf. Doch: wieso lässt man seinen geistigen und körperlichen Zenit derart brach liegen? Ist das das Verlangen des einzelnen – oder einfach der Wert einer Generation?

Angesichts der körperlichen Entwicklung gerade in dieser Altersspanne drängt sich die Frage auf, ob das Verhalten nicht die Gesamtgesellschaft belastet, da Erkrankungen so biologisch programmiert sind. Ältere nämlich wollen nicht mehr leben, wenn sie der Gesellschaft zur Last fallen. Wieso ist das hier anders?

Zudem verschiebt sich merklich das Ideal der Schönheit, was jedoch zugegebenermaßen auch sonst stets Konjunkturen unterliegt: die Körperfülle nimmt zu. Erstaunlich ist hierbei, dass die Betroffenen ihr neues Aussehen annehmen: das Bäuchlein wird einfach um-etikettiert!

Es hilft nichts: wir müssen mit dem Trend alle zufrieden sein, auch wenn abhängen leicht an ‚aufhängen‘ erinnert.

Macht oder Inhalt – nur eins von beidem

Gibt es das wirklich im Berufsleben, diese Formel? Entweder ist der Antrieb des Arbeitens Macht und Karriere oder aber Inhalt und sachliches Interesse.

Wenn man auf neue Kollegen trifft, muss man rasch klären, ob das Gegenüber eher dieser oder jener Art ist: interessiert er sich für Inhalt oder Status.

Diese Welten verzahnen sich, haben aber nur geringe Schnittmenge. Der jeweilige Vorgesetzte entscheidet dann darüber, welche Waagschale schwerer wiegt.

Doch Konflikte sind inhärent: denn bei jeder Abstimmung und jeder Handlung, die kein formaler und vorgegebener Prozess regelt, wägt der einzelne seine individuellen Ziele ab.

Das ist ein ständiger Hort von Konflikten: darunter leiden beide Seiten, da sie ihre Zielsetzungen mit den Partnern weder gemeinsam teilen noch entwickeln lassen. Sie schließen sich schlicht aus.

Drittens schleicht sich auch noch das Motiv des Sozialen Miteinanders ein: ich gehe doch nicht zur Arbeit wegen der Arbeit, sondern um Leute zu treffen.

Jetzt gibt es die Meinung, dass solche Unterschiede durch eine intelligente, smarte und geschickte Steuerung/Führung überwunden werden könnten, indem man jedem das Seine gibt, was am Ende mit einander korrespondieren soll. Ist das wahrscheinlich?

Besser, als es an das vermeintliche geniale Handeln eines Dritten zu delegieren, ist wohl, dass alle von ihren zentralen Antreibern wissen. Es ist anstrengend, bei all und jedem Sachverhalt zu klären, welcher Weg richtig ist. Doch wird das Offenlegen wohl der einzige Schritt sein, zumindest die Enttäuschung, sich nicht in Gänze durchzusetzen, für jeden verstehbar zu machen.