Der hässliche Bildungsbürger

Es gibt dieses Lamento des Bildungsbürgern, dass die Qualitätskultur stirbt. Dies verdichtet sich regelmäßig in dem Beispiel, dass der Printjournalismus nicht mehr das sei, was er früher einmal war. Die FAZ kann man kaum mehr lesen; die ZEIT hat stark abgenommen.

HHmmh, denke ich dann immer. Als Reflex fällt mir nur die Frage an mich selbst ein, wieso ich das selbst nie bemerkt habe. Dann muss ich mir eingestehen, dass ich früher eben auch kaum Tagespresse gelesen habe. Wenn ich mich dann frage, wieso das nur geschehen ist, fällt mir ein, dass ich Zeitungslektüre uncool fand. Ich befand damals eben, dass man ohnehin alle Nachrichten über die Welt mitbekommt. So entschied ich mich für die Klassiker der Literatur, nicht für die Zeitung.

Dann aber kommt mir eine weitere Erinnerung ins Lebensgedächtnis, dass ich den Wandel des SPIEGELs hin zu mehr Kürze und prägnanteren Aussagen toll fand. Denn durch einen Freund meines Vaters erhielt ich die Ausgaben, wenn sie ausgelesen waren. Diese Pointen, die klaren Aussagen und die Formulierungen bewunderte ich – und tue es noch immer.

Ich kann also die Bewertung, alles werde schlechter, schlicht nicht stützen. Aber vielleicht ist mir auch etwas entgangen, was mir die Kritiker an Erfahrungen voraushaben. Aber deswegen habe ich auch große Probleme, der Beurteilung Glaubwürdigkeit zu schenken. Denn woher wissen das eigentlich all‘ die anderen meiner Generation. Haben die wirklich früher schon Tagespresse gelesen?

Und ähnlich geht es mir auch bei den anderen Kulturhochburgen, wie von Filmen, bildender Kunst, Musik usw. Denn zu ihrer Beurteilung gehört doch auch Expertenwissen, wenn schon nicht persönliche Evidenz ausreicht.

Diese Menschen habe ich unter Verdacht. Der Verdacht heißt: Betrug der anderen, und Selbstbetrug.

Die message allerdings ist klar: die jüngeren sind nicht so wie wir älteren. Sie folgen uns nicht. Und sie würdigen nicht das Quantum an Lebenszeit und Erfahrungen.

 

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