Über Joe Biden wird viel geschrieben – man muss sich fragen, ob es über einzelne Menschen überhaupt so viel zu sagen gibt. Was zum Beispiel würden die vielen Mitmenschen über einen Albtraum sagen!?
Jedenfalls war ich schwer beeindruckt, als das Phänomen Biden schleichend in mein Bewusstsein vordrang. Sicherlich, er ist die Antipode zu Trump, diese Mensch gewordene Schlechtigkeit. Erst war er sleepy Joe, dann Stotterer, schließlich Romantiker. Und nun ist er unfachmännisch ein anständiger Kerl.
Ich versuchte mir die Situation auf meiner eigenen Bestattung zu erdenken: würden die Trauergäste sagen, dass ich ein anständiger Kerl war? Das kann ich mir nicht vorstellen. Das will ich auch gar nicht.
Aber dennoch: das ist schon eine Leistung, so beurteilt oder auch nur eingeschätzt zu werden. Was muss man dafür tun? Kann man das beeinflussen?
Könnte es nicht sein, dass Anstand auch bedeutet, immer im mainstream zu sein, also einfach nur langweilig? Oder schließt es ein, sich gelegentlich gegen die Mehrheit zu stellen, wenn es um fundamentale Werte der Gesellschaft geht, die eben von der Mehrheit hinterfragt und nicht mehr gelebt werden? Oder genügt es, ab und zu einen Bösewicht zu sanktionieren?
Ich weiß auch nicht, ob ein Politiker mit symptomatischem Anstand weiterkommt. Denn den müsste er ja bei jeglichem politischen Handeln wie eine Monstranz vor sich hertragen. Wäre er dann nicht berechenbar? Gar naiv? Lässt sich Politik mit Ehrlichkeit und Geradlinigkeit denken? Ist das System Politik wirklich so einfach?
Und dann: möchte man auf dem Grabstein stehen haben: er war ein anständiger Mensch? Wie banal und mittelmäßig! Möchte man nicht mit einer Heldentat erinnert werden, wie der Miniatur einer Weltrettung, eben einer Heldentat?
Wie auch immer es ist: man stand bei einer solchen Fremdbewertung sicherlich immer fest im Leben – und das ist schon einmal etwas!