Zu Beginn des Flüchtlingsstroms im letzten Jahr wurde ein Konsens aller etablierten Akteure öffentlich, dass die Schlepper Ursache allen Übels sind, das den Flüchtlingsstrom erst ausgelöst hat. Die Medien berichteten runde vier Wochen lang darüber, dass man den Schurken das Handwerk legen müsse. Dann würde schon alles gut.
Ich hatte mich damals über die Nachricht gewundert. Selbst Politiker, die ich als verantwortlich agierend wahrgenommen hatte, äußerten sich in dem Sinn. Was nur trieb sie dazu, diesen Unsinn zu glauben? Denn es dürfte doch wohl klar sein, dass auch Menschen ohne einen kommerziellen Dienstleister ihren Weg zu sicheren Rückzugsorten finden würden.
Es wurde über die Schlepper gesagt, dass sie sich nur bereicherten und die Flüchtlinge rücksichtslos behandelten. Das Bild von gestrandeten oder gar zu Tode gekommenen Flüchtlingen wurde zur Assoziation mit den Menschen, die Schlepper oder Schleuser genannt werden.
Es sind jedoch keine Ver-schlepper, sondern Dienstleister, die eine Not von Menschen aufgreifen und lindern. Sie verdienen Geld damit. Auch wenn ihre Summen hoch erscheinen, ist schwer zu beurteilen, ob es sich angesichts des Aufwands und des Risikos nicht auch um faire Preise handelt. Man könnte zudem anführen, dass eine Nachfrage stets ein Angebot nach sich zieht.
Niemals wird behauptet, die Schlepper wären Menschenfreunde. Sie nehmen in der öffentlichen Wahrnehmung und im öffentlichen ‚Glauben’ einfach nur die Rolle des Bösen ein. Ganz objektiv allerdings sind sie vielleicht auch einfach nur Opfer ihrer schlechten Ausbildung.
Dennoch gibt es auch dieses andere Bild. Immerhin dürfte man sie als talentierte Logistiker nennen. Es sind eben auch Menschen, die anderen Menschen zur Flucht verhelfen.
Vergleicht man ihr Handeln mit Soldaten oder humanitären Organisationen (die eben auch bei der Flucht helfen oder sie organisatorisch lösen), so könnte man sagen, dass die immerhin kein Geld dafür nehmen. Doch werden die nicht einfach nur aus anderen Quellen bezahlt? Sie würden wohl schlechterdings Fluchthilfe organisieren, gebe es nicht genau diese Quelle zu ihrem eigenen Unterhalt.
Woraus also kommt eigentlich unser Zorn auf die Schlepper? Kann es sein, dass es damit zu tun hat, dass Staat und Politik ihre Macht verloren haben? Sind wir vielleicht einfach mit dem Ergebnis unzufrieden, nämlich dass wir plötzlich selbst eine Verantwortung für die Geflüchteten auf uns nehmen müssen? Jedenfalls ist der Schlepper die einfachste – und gleichzeitig unlogischste – Erklärung für das Phänomen Flucht. Sie sind – wenn auch ein wichtige – Begleiterscheinung!
Dies sollte uns auch im Drang zur raschen Suche nach Verantwortlichkeiten und Schuldigen davor behüten, rasch Klarheit um jeden Preis schaffen zu wollen. Zwar ist das ‚Klären’ für unser Gleichgewicht wichtig – aber nicht auf Kosten unserer Rationalität und der Abwägung.