Das soll die/der mir doch direkt ins Gesicht sagen

Menschen empören sich, wenn Sie erfahren, dass über sie schlecht geredet wurde.
Ich selbst bin mir gewiss, dass dies auch mir geschieht. Lasse ich ein wenig Revue passieren, so reagiere ich jedoch höchst unterschiedlich auf die Kunde. Wieso?, muss ich mich dann natürlich fragen. Woran oder an wem liegt das?
Natürlich sind die mir gleichgültig, die ich ohnehin nicht mag. Vielleicht kann ich mit ihnen besser abschließen, wenn ich erfahre, dass sie über mich gelästert haben.
Dann gibt es diejenigen, die Dritten eine andere Einschätzung über mich preisgeben als sie mir verstehen machen wollen. Das quittiere ich meist damit zu überlegen, welche Beobachtungen mich dazu führen, die Einschätzung des anderen so zu deuten. In diesem Fall versuche ich, mir Situationen wachzurufen, die ich durchlebt habe. Ich frage mich dann auch, wieso ich zu positiveren Schlussfolgerungen gelangt bin.
Drittens gibt es Menschen, die mich ablehnen, obwohl ich sie mag. Das ist für mich nicht leicht auszuhalten. Mein Grübeln findet dann rasch den Ausweg zu denken, die Person sei nicht gut gelaunt oder würde mich eben nicht an einem guten Tag erlebt haben.
Schließlich gibt es diejenigen, die über mich ein negatives Urteil fällen; aber ein solches, das ich für ungerechtfertigt und unsinnig halte. Das regt mich wahrlich auf. Vor allem sind Urteile dann befremdlich, wenn die Vorwürfe beinhalten, die die Verurteiler selbst treffen können.
Diese Reaktionen würde ich wohl auch an den Tag legen, wenn die Personen mir ihre Kritik direkt äußern würden. So ist für mich die Quelle der Erfahrung weitgehend gleichgültig. Nur müsste ich mich mit der Person in Dialog auseinandersetzen.
Viele andere jedoch trifft nicht das Urteil, sondern die vermeintliche Feigheit, dies nicht direkt und von Angesicht zu Angesicht geäußert zu haben. Das kommt von dieser archaischen Vorstellung der Augenhöhe, der Fairness des offenen Zweikampfes, der Auseinandersetzung von Mann zu Mann, der Waffengleichheit, des Duells. Auch erinnert das an Moralvorstellungen des Alten Testaments, als es noch um Auge um Auge und um Zahn um Zahn ging.
Alle großen Duelle der antiken Literatur zeigen jedoch stets Kritik: bei Hektor und Archill oder David und Goliath. Und ad absurdum werden diese Auseinandersetzungen von der Praxis der Duelle, die zur Erhaltung der Ehre eine Schiesserei erzwang.
Auch weiß ich nicht, ob der zart besaitete, also sensible und empfindliche Mensch wirklich diese Erfahrung eines direkten Angriffs aushält. Will man das? Oder wollen die, die sich so äußern, nur den Angreifer ihrerseits angreifen?

Der Stolz der Menschen auf ihre eigene Leistung

Wer intelligent ist, kann sich rühmen. Wer gut aussieht, sonnt sich in der Aufmerksamkeit anderer. Wer materielle Werte besitzt, kann beneidet werden. Wer beruflichen Erfolg hat, kann stolz auf sich sein. Wer sportlich ist, kann hoffen, eines Tages bejubelt zu werden.
Jegliche Selbstzuschreibung von Positivem löst im Menschen die Ahnung aus, dass er dafür selbst verantwortlich ist. Erst im Alter kommen die Menschen zur Einsicht, dass viel Glück dazu geführt hat.
Es ist schon seltsam, dass Selbstzuschreibung absolut und unbedingt ist, soweit die Gesellschaft in der jeweiligen Leistung einig ist. Soweit sie aber einig in der Ablehnung ist, weicht die Selbstzuschreibung der Entschuldigung und Distanzierung. „Ich bin doch nicht verantwortlich dafür, dass mir ein Fehler unterlaufen ist.“ „Die Niederlage in einem Fussballmatch ist auf die Umstände zurückzuführen.“ „Die Straftat des einen ist den Umständen geschuldet, wird geradezu von ihr provoziert. Wenn einer in Armut aufwächst, wird der Wille zu materiellen Werten so stark, dass ein Diebstahl nicht zu verhindern ist.“
Um so interessanter sind Verhaltensweisen, die Eingeständnisse erlauben: „ich bin nicht stolz darauf, dass ich dies getan habe.“ Sprachfähigkeit heißt aber nicht, auch erklärungsfähig zu sein. Einen Fehler zu gestehen, heißt nicht, ihn auch erklären zu können.
Und so verhält es sich auch mit der Leistung. Oder eben doch nicht?

Die Angst vor der Enttäuschung des Gegenübers

Gewillt, dem anderen zu sagen, dass man mit x nicht einverstanden ist, stellt sich das schleichende, dann aber lähmende Gefühl ein, es besser nicht zu tun. Denn der andere könnte enttäuscht oder beleidigt sein, den Konflikt suchen und aus seiner Sicht Vorwürfe erheben. Solcherlei will man nicht. Man tut es ab als unkontrollierbare Emotionalisierung. Dann doch lieber schön bei der Sache bleiben.
Also erfüllt man besser, was man glaubt, dass der andere an Erwartungen haben könnte. Das kann eine Menge sein. Und hat man verschiedene Menschen vor sich, so mehren sich die Varianten.
Gerade Kinder, deren Eltern aggressiv, fremdelnd bis abweisend sein können, haben es gelernt, sich so zu verhalten, dass sie nicht gefährdet werden. Im Leben werden sie geradezu Meister solcher Verhaltensweisen.
Also hält man sich doch besser mit seinen Vorstellungen zurück. Schließlich ist auch der offene Abtausch nicht das Bild von Höflichkeit, die nur kennt, dem Gegenüber zu schmeicheln. So jedenfalls stellen wir uns Deutsche das vor.
Es gibt zwischenzeitlich dieses Genre an Dialog-basierten Dramen, die an historischen Höfen der Neuzeit spielen. Dort wird gelogen, hintergangen, betrogen, Ränke geschmiedet – ein Spektakel für jeden, der sich an Bösewichtern laben kann. Höflichkeit war wohl tatsächlich nur im Ton der Auseinandersetzung anders. Konflikte gab es immer.
Man schaue sich die Breite sozialen Miteinanders an, wenn wir jünger sind. Da wird gebrüllt und geliebt, getobt und liebkost. Das beschränkt sich zugegebenermaßen aber auf Paare.
Dennoch: der Deutsche hat Angst vor Konflikten; zumindest keine Lust. Das Wortgefecht, das in Großbritannien in der Kultur der Privatschulen eine große Rolle spielt, würde unter Deutschen vermutlich zur Schlächterei ausarten.
Und dennoch gibt es diejenigen, die in Deutschland ihre Meinung sagen, damit anecken und Konflikte provozieren. Wie sich mir jedoch darstellt, sind das die rücksichtslosen Rebellen des Alltags: die burschikose Marktverkäuferin, der Berliner Busfahrer, der kommunistische Außenseiter, der Choleriker und einige andere mehr. Ehrlich, das sind Persönlichkeiten, die sich ihrer Empörung entleeren; es können auch diejenigen sein, die glauben, dies um ihrer psychischen Gesundheit Willen tun zu müssen. Es sind jedoch sehr selten die, welche den Konflikt eingehen, in dem sie auch etwas verlieren können.
Es stellt sich die Frage, wie ein guter Konflikt aussieht. Wie streitet man eigentlich richtig? Welche Ziele gibt es bei Konflikten? Nur Recht haben, Luft ablassen, eigene Erwartungen formulieren, oder?
Wieso lernen wir das nicht in der Schule?

Die bösen Fremden

Dieser Tage lese ich von Dingen, die in meiner Jugend dem Zeitgeist völlig entgegen gestanden hätten: da urteilt der EuGH, dass Untersuchungen zur sexueller Orientierung nicht erlaubt sind. Anlass war der Test an einem Mann aus Nigeria, um zu prüfen, ob er homosexuell ist.
Dann wird öffentlich debattiert, ob man bei vermeintlichen Jugendlichen Flüchtlingen nicht zwangsweise eine Altersbestimmung vorgenommen werden kann.
In den 1980er Jahren tobte eine Debatte, keine Gesinnungsprüfungen unter Lehrern im Schuldienst durchzuführen. Zudem hält das ganze Deutschland für richtig aufzupassen, dass nicht private Daten in die falsche Hände geraten.
Wieso nur erhebt sich plötzlich eine Debatte darüber, ob wir nicht eine große Ausnahme bei der Menschlichkeit machen, wenn es um diejenigen geht, die nicht Deutschland gebürtig sind?
Ich könnte mir solcherlei Tests auch für gebürtige Deutsche vorstellen. Doch nun stellt sich heraus, dass die Automobilindustrie Menschen hat testen lassen, um zu beweisen, dass Menschen unter Laborbedingungen nicht unter Stickstoffbelastung gesundheitliche Schäden auf sich nehmen. Die Republik ist empört. Aber hatte sie sich nicht noch Minuten vorab für Routine-Röntgen von Flüchtlingen entschieden.
Sollte man Deutsche vielleicht einem Ethik-Test unterziehen? Oder einen zum gesunden Menschenverstand. Mir wird das Land und seine Menschen immer fremder.

Die Olympioniken haben ‚geliefert‘

Wie häufig hört man diesen Satz von Journalisten aller Art. Ich frage mich, woher die Anspruchshaltung kommt.
Einige Möglichkeiten:
1. wenn die schon für Deutschland starten dürfen, sollen die auch etwas leisten.
2. schließlich bezahlt ja der Steuerzahler für den Leistungssport.
3. wenn wir schon am medialen Leben teilhaben müssen, wollen wir wenigstens Helden.
4. die sollen sich ruhig anstrengen, wie es sich für Deutsche gehört.
Ich frage mich bei diesen – eher rationaleren – Erklärungsmodellen, wo eigentlich der olympische Geist geblieben ist. Ist der unter Sportlern verbreitet? Gibt es ihn überhaupt? Ist es nicht so, dass jeder gewinnen und nicht nur teilhaben will?
Doch zuerst muss man fragen, ob der Geist ein Geist ist oder Realität sein soll. Der olympische Geist ist wohl einer des friedlichen und fairen Wettstreits in Freundschaft. Dazu gehört, sich zu messen, ohne das Maß der Fairness aus den Augen zu verlieren.
Dieser Geist war wohl schon mit seiner ersten Formulierung nur Wunschvorstellung. Denn wer begibt sich in einen Wettbewerb, den er nicht gewinnen will? Das sind höchstens die paar Verrückten, die sich für Außerordentlichkeit und letzte Plätze feiern lassen.
Und wieso betont die Journaille diesen Geist, wenn es doch eher den Medaillenspiegel anführen will? Wieso werden missglückte Aktionen so gehandelt wie Fehler? Und wieso gibt es eigentlich niemals Nachrichten über die Letzt- bzw. Schlechtplatzierten? Haben Sie jemals eine Berichterstattung über einen Verlierer gesehen? Das wäre doch auch olympischer Geist!
Ist das alles eine Ausgeburt der hiesigen Leistungsgesellschaft? Ein Spiegelbild der preußischen Tugendlehre? Ein blöder Trick, das eigene Ego aufzuwerten?
Wie auch immer: ich empfinde die Spiele als wenig spannend, soweit nur Nachrichten von Siegen eingehen. Die Kuriositäten und die Missgeschicke finde ich unterhaltsamer.

Die sind alle tot

Schon zweimal in meinem Leben traf ich Menschen, die davon berichtet haben, aus sozialen Gruppen die einzig Überlebenden zu sein.
Einmal war es eine Finnin, die auf meine Frage nach ihrem Erleben bei Klassentreffen meinte, dass sie alle umgekommen seien – durch Drogen, Unfälle oder Gewalt. Kürzlich traf ich eine Polin, die meine Frage nach Familienangehörigen erwiderte, die seien alle gestorben. Beide machten dieses Gesicht, dessen Ausdruck zwischen Unglaube, Peinlichkeit und Übung wechselte.
Mein Großvater war auch ein Mensch, der auf dieses Erleben verweisen konnte. Sein gedankliches Belächeln dieser tollpatschigen Horde um Hitler musste er in einem Lager für Kriegsgefangene in der Sowjetunion büssen. Er kehrte mit rund 10 % der Gefangenen als Überlebender zurück – und das erst Jahre nach Kriegsende.
Das Überleben ist seltsam, soweit der Tod die Normalität darstellt. Denn dann fühlt man sich wohl irgendwie allein gelassen. Es kehrt sich um, was sonst normal ist. Man muss sich fragen, wieso es einen nicht selbst erwischt hat. Und vielleicht taucht auch der Gedanke auf, dass in einer anderen Welt alle Toten zusammenhocken.
Auch für Hochbetagte mag der Satz befremdend sein, dass alle Weggefährten aus derselben Altersgruppe bereits verstorben sind. Das eigene Über- oder noch Leben dürfte so weniger als Geschenk wahrgenommen werden, sondern, zurück gelassen worden zu sein.
Vor allem dürfte sich eine gewisse Einsamkeit einstellen. Denn die natürlichen Bezugspersonen fehlen. Geradezu neidisch könnte man auf deren Ableben blicken, da sie dem eigenen Schicksal etwas voraus haben. Irgendwie muss sich auch das Gefühl ausbreiten, noch nicht die entsprechende Reife erlangt zu haben.
Der Tod verliert so wohl auch an Schrecken, da er mehrheitlich bereits erfahren wurde: wenn die anderen das hinter sich gebracht haben, dann kann es so schlimm nicht sein. Es ähnelt ein wenig wie die Einstellung von Woody Allen, der sagt: ich habe nichts gegen den Tod – ich möchte nur nicht dabei sein.
Jedenfalls sind Menschen, die solches erfahren, um eine Perspektive reicher: zwar sind sie im Leben verlassen. Aber ihr Tod bedeutet eine Heimkehr.

Die Würde des Alters

Stellen Sie sich ein altes Schloss irgendwo in Schottland vor, ähnlich dem im Showdown des James Bond-Films Skyfall. Es steht dort grau und erhaben, gleichwohl kalt und entleert. Es löst schon mit dem ersten Blick Neugierde aus: wer hat es gebaut? Wen hat das Schloss beherbergt? Wieso wurde es verlassen?
Was würden US-Amerikaner wohl dazu sagen? Sie gingen in die Knie und würden sprachlos staunen. Denn für einige Menschen ist Alter alleine schon ein Grund, Ehrfurcht zu bezeugen.
Andere Menschen hingegen sind von Spuren der Vergangenheit genervt, wenn sie privaten Anliegen in die Quere kommen. Kölner und Mainzer würden sagen, dass beim Ausheben einer jeden Baugrube irgendetwas zu Tage tritt, was zum Baustopp führt. Griechen gehen mit ihren antiken Stätten teilweise so um, als ob es landwirtschaftliche Schuppen wären. Und in ganz anderen Ländern, in denen Menschen täglich um ihr Überleben kämpfen, wird Historisches erst gar nicht wahrgenommen.
Und dann gibt es noch die Ideologen, die Spuren anderer Systeme beseitigen, möglichst brutal, um im Akt der Zerstörung alleine schon ein Zeichen zu setzen. Das gab es jüngst bei der IS-Herrschaft im Mittleren Osten. Aber es würde massenweise auch bei der Überwindung der bürgerlichen Herrschaft in den real sozialistischen Staaten zur Regel.
Und so gehen Gesellschaften, besser Kulturen und Milieus sehr unterschiedlich mit älteren Menschen um: bei den einen die Verdrängten und Geschmähten, die weg Gesperrten und Vernachlässigten, bei den anderen jedoch die Anführer und Autoritäten, die Erhabenen und Respektierten.
Man muss sich das klar machen, dass jeder Mensch hier nur das tut, was er ‚glaubt‘. Alter hat keine Zukunft, aber eine riesige Vergangenheit. Gilt den einen das Zittern der Hände und die Bedürftigkeit als Nachweis für Erfahrung, so den anderen als Schwäche.
Wie sich Vergangenheitsform-orientierte Länder im auf und ab der Geschichte machen, ist wohl nicht systematisiert. Für sie ist davon auszugehen, dass die alten von Bedeutung waren. Für die anderen ist genau das Gegenteil der Fall: Sie haben Altes über Bord geworfen und in die Entwicklung von Neuerungen investiert.
Das Alter von Dingen steht vermutlich in keinem Zusammenhang mit der Wahrheit und Passung. Jedoch ist Erfahrung immerhin ‚die‘ Quelle der Erkenntnis, würde man sie denn auch konsequent nutzen.

Ein bisschen Nacherziehen

Wer irgendwann einmal in die Welt der Therapie vordringt, der erfährt, dass Paare wie seltsame und nicht kontrollierbare Erziehungsanstalten funktionieren: denn jeder versucht den anderen so zu manipulieren, dass er ihm am besten selbst entspricht. Er/Sie will die/den anderen erziehen.
Das findet meist im Verborgenen statt. Nur in extremen Fällen zelebrieren das Paare auch in der privaten Öffentlichkeit.
Häufig identifiziert man Paare aufgrund ihrer Übereinstimmungen. So haben sie allmählich Gemeinsamkeiten ausgehandelt, wie Urlaubsziele, auch Hobbies, vor allem aber Kleidungsstil und äußeres Erscheinungsbild.
Das ist eine ernsthafte Belastungsprobe. Denn es weicht von dem Versprechen ab, dass man sich immer wieder gibt: hier kann man ich sein; ich mag dich so, wie du bist; und wir bleiben miteinander, bis der Tod uns scheidet. Das allerdings ist irrig. Es scheint trotz aller Beteuerungen keine Partnerschaft zu geben, bei der der eine nicht die andere Person nach seinen Vorstellungen gestalten will – sei es, weil man dann ‚sicher‘ ist, sei es, da so die Fehler des anderen kein Aufreger mehr sind. Oder es geht schlicht darum, die eigenen Interessen zu denen des anderen zu machen.
Schlicht ist die Frage, ob es ein Muster gibt. Wer ist es, der mehr nacherzieht? Und wie weit geht es? Wie weit passt sich der andere an?
Das Ideal zweier gleichberechtigter Menschen ist unsinnig, da dies ein bloßes Ideal ist. Die Verschiedenheit ist wohl der höheren Entwicklung des Menschen geschuldet. Denn aus zoologischen Studien ist bislang nicht bekannt, dass Partnerschaften auseinander gehen würden, da sich die Partner nicht verstehen.
Auch wenn der Mensch ein Animal Soziale ist, so ist doch offensichtlich, dass er sich seine Umwelt so schaffen will, wie er es will. Das macht er mit seinem Garten, seinem Leben sowie mit seinem Partner. Gerade bei Kindern scheint Erziehung zur Evolution zu gehören. Wieso sollte sie denn dann auch Halt machen vor dem Partner?

Ein gutmütiger Trottel

Ist er gutmütig, weil er oder sie ein Trottel ist? Oder ist er ein Trottel, weil er gutmütig ist?
Wer kennt nicht den Typ an Menschen, der immer sanft und zugewandt ist? Solche Charaktere ziehen das Pfarramt und die sozialen Berufe an. Auch Lehrer können dazu gehören.
Und oft reagieren die Mitmenschen darauf nicht mit Dankbarkeit, sondern mit der Einladung, solche Menschen auszunützen oder schroff zu ihnen zu sein. Ein gewisses Kalkül steckt dahinter: man kann sich alles erlauben; denn die Trottel verzeihen; sie sind darum bemüht, ihr Programm weiter umzusetzen; eine Gefahr ist mit ihnen nicht verbinden.
Manche Menschen werden aber nicht mit der sanften Seele geboren, sondern entwickeln sich selbst dorthin. Es sind diejenigen, die doch durch Schicksalsschläge für eine grundsätzliche Demut entscheiden. Oder aber sie erziehen sich selbst durch Einsicht und Wille dorthin.
Dazu fallen mir politische Personen wie Jesus Christus, Martin Luther King oder Mahatma Gandhi ein. Sie wollen ihre Gutmütigkeit zu einem moralischen Grundsatz verbreiten. Sie treffen Konflikte in ihrem Umfeld an. Und sie wollen mit einem modellierenden Beispiel voranschreiten.
Sie prägen heute mit ihrem Wirken unsere Einsicht in große Menschen. Dennoch können sie nur einen kleinen Kreis von Menschen zu Verhaltensänderungen bewegen. Der soziale Wettbewerb um Anerkennung, um Durchsetzung und um individuellen Erfolg obsiegt weiter. Er scheint eine anthropologische Konstante zu sein.
Der gutmütige Trottel ist zwar in die Sphäre von Göttern aufgestiegen, ist aber noch immer eher eine Abstraktion, die Menschen nicht als real für ihre Umwelt betrachten. Zu sehr steht das im Widerspruch zum inneren Empfinden eines guten Lebens.
Interessant ist, dass sich derzeit ein Glaubenskampf um die wahre menschliche Existenz vollzieht. Die Wiederbelebung des Wettbewerbgedankens in der Deutschen Politik und in anderen Staaten zeigt sich im nationalen Gedanken: Internationalität ist doof, die eigene Nation doll. Die Auseinandersetzung ist Menschsein, nicht das friedliche Nebeneinander. Die Ideologie hinter Trump hat dies radikalisiert und bis in die etablierte Politik getragen. Auch die Wissenschaft interpretierte dies mit Huntington. Und die Radikalisierung von Moslems zu Islamisten sind Teil dessen.
Der liberale reflektierte Mitmensch wird angegriffen. Seine political correctness wird niedergemacht und der Lächerlichkeit zum Fraß geworfen.
Jeder Mensch darf sich entscheiden, ob er auf der Welle der vermeintlichen Stärke mitschwimmt – oder eben doch zum gutgläubigen Trottel hält.

Ersatzfreiheitsstrafen

Demokratie kostet. Und auch Gerechtigkeit kostet.
Das kann aber auch dem Empfinden an Gerechtigkeit massiv widersprechen. In einem Beitrag in dem ARD-Magazin Monitor wurde von sog. Ersatzfreiheitsstrafen berichtet. Die Inhaftierten sind Menschen, die kleinere Delikte begangen haben und ihre Geldbußen nicht bezahlen können. Statt einer Bestrafung über Geld soll die Schuld durch Freiheitsentzug gebüßt werden. Die theoretische Alternative der Arbeit in einer sozialen Einrichtung gelingt wohl weniger häufiger als gewollt.
Was bedeutet das für die Betroffenen? Erstens werden die Häftlinge mit sozialer Miss- bis Verachtung bestraft. Folgewirkungen sind der Verlust der Arbeitsstelle und der Wohnung, auch von Partnern. Zweitens gewinnen sie das Gefühl, ungerecht – weil zu hart – behandelt zu werden. Weiter besteht die Gefahr, durch den Kontakt mit Kriminellen in die Versuchung und dann in den Strudel von künftigen Rechtsbrüchen zu geraten.
Und sie kosten richtig viel Geld, nämlich den Satz von 130 € pro Tag. Das macht am Beispiel des Häftlings mit einer 8-Monatsstrafe 33.000 €, i.e. für seine Weigerung oder Unfähigkeit, das Bußgeld für Schwarzfahren zu begleichen.
Solch ein Extrembeispiel taugt natürlich für eine Schlagzeile, da sie den Schluss von Absurdität provoziert: 8 Monate wegsperren wegen schwarz Fahrens.
Und so muss man sich fragen, ob das richtig ist – wenn vermutlich auch formal gerecht. Ist die Kosten-Nutzen-Analyse nicht in einer kompletten Schräglage?
Dazu steht die Frage im Raum, wieso der Steuerzahler so viel Geld für Delikte zahlt, wobei nichtmals durch psychologische Betreuung daran gearbeitet wird, dass eine Verhaltensänderung wahrscheinlich wird. Genauer: wird dadurch nicht mit dem Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung gebrochen?
Sühne ist so ein Ding: die Vorstellung erinnert an den Ablass der mittelalterlichen Kirche, als man sich von moralischer Schuld freikaufen konnte. Der moderne Rechtsstaat macht nichts anderes als derjenige, der Schuld auf sich geladen hat und sie mit Freiheitsentzug büßt. Die katholische Kirche hat zwar mit ihren Versprechen gelogen, die Schuldigen kämen durch Freikauf ins Himmelreich. Doch immerhin lag sie niemandem auf der Tasche.
Die Strafe sollte sich also dem spezifischen Beitrag zuwenden, den ein einzelner der Gesellschaft zurückzahlen kann. ist es nicht Geld, müsste es dennoch etwas Geldwertes sein. Freiheitsentzug ist nicht nur völlig unproduktiv, sondern kostet auch noch.
Gemeinnützige Arbeit ist so die richtige Idee. Man verbindet damit die Mitarbeit in einem sozialen Projekt. Das allerdings bedarf doch eigentlich einer Schulung. Das würde sonst jegliche Ausbildung als Sozialarbeiter Lüge Strafen. Wieso lässt man dann die Verurteilten nicht einfach in den Berufen und Tätigkeitsfeldern arbeiten, für die sie selbst qualifiziert sind? Dann steckt der Staat für die geschädigte Gemeinschaft eben die Vergütung ein.