Gewillt, dem anderen zu sagen, dass man mit x nicht einverstanden ist, stellt sich das schleichende, dann aber lähmende Gefühl ein, es besser nicht zu tun. Denn der andere könnte enttäuscht oder beleidigt sein, den Konflikt suchen und aus seiner Sicht Vorwürfe erheben. Solcherlei will man nicht. Man tut es ab als unkontrollierbare Emotionalisierung. Dann doch lieber schön bei der Sache bleiben.
Also erfüllt man besser, was man glaubt, dass der andere an Erwartungen haben könnte. Das kann eine Menge sein. Und hat man verschiedene Menschen vor sich, so mehren sich die Varianten.
Gerade Kinder, deren Eltern aggressiv, fremdelnd bis abweisend sein können, haben es gelernt, sich so zu verhalten, dass sie nicht gefährdet werden. Im Leben werden sie geradezu Meister solcher Verhaltensweisen.
Also hält man sich doch besser mit seinen Vorstellungen zurück. Schließlich ist auch der offene Abtausch nicht das Bild von Höflichkeit, die nur kennt, dem Gegenüber zu schmeicheln. So jedenfalls stellen wir uns Deutsche das vor.
Es gibt zwischenzeitlich dieses Genre an Dialog-basierten Dramen, die an historischen Höfen der Neuzeit spielen. Dort wird gelogen, hintergangen, betrogen, Ränke geschmiedet – ein Spektakel für jeden, der sich an Bösewichtern laben kann. Höflichkeit war wohl tatsächlich nur im Ton der Auseinandersetzung anders. Konflikte gab es immer.
Man schaue sich die Breite sozialen Miteinanders an, wenn wir jünger sind. Da wird gebrüllt und geliebt, getobt und liebkost. Das beschränkt sich zugegebenermaßen aber auf Paare.
Dennoch: der Deutsche hat Angst vor Konflikten; zumindest keine Lust. Das Wortgefecht, das in Großbritannien in der Kultur der Privatschulen eine große Rolle spielt, würde unter Deutschen vermutlich zur Schlächterei ausarten.
Und dennoch gibt es diejenigen, die in Deutschland ihre Meinung sagen, damit anecken und Konflikte provozieren. Wie sich mir jedoch darstellt, sind das die rücksichtslosen Rebellen des Alltags: die burschikose Marktverkäuferin, der Berliner Busfahrer, der kommunistische Außenseiter, der Choleriker und einige andere mehr. Ehrlich, das sind Persönlichkeiten, die sich ihrer Empörung entleeren; es können auch diejenigen sein, die glauben, dies um ihrer psychischen Gesundheit Willen tun zu müssen. Es sind jedoch sehr selten die, welche den Konflikt eingehen, in dem sie auch etwas verlieren können.
Es stellt sich die Frage, wie ein guter Konflikt aussieht. Wie streitet man eigentlich richtig? Welche Ziele gibt es bei Konflikten? Nur Recht haben, Luft ablassen, eigene Erwartungen formulieren, oder?
Wieso lernen wir das nicht in der Schule?