Dankbarkeit

Es gibt populäre Schlüsselworte, die Menschen ihr Dasein verträglich machen soll: Aufmerksamkeit, Gelassenheit sowie Hygge.

Ich stieß beim Ziel-befreiten Grübeln auf das Konzept von Dankbarkeit.

Es ist so antiquiert, christlich verbrämt, aufgeladen durch elterliche Anweisungen und vieles mehr – es nervt. Und dennoch ist es ein bemerkenswertes Wort

Das Christentum formuliert es als Danksagung an die Schöpfung, Leben erleben zu dürfen. Und dennoch sehen wir gemeinhin Leben als Aneinander-Reihung von Kampf und Leid – um ehrlich zu sein, als ständige Suche nach Glück und Bequemlichkeit.

Je älter wir werden, etwas erreicht haben und die Gewissheit eines absehbaren Endes unseres Lebens zu haben, kehrt aber der Raum ein zu schätzen, dass vieles um uns herum irgendwie gelingt. Wir nehmen wahr, dass wir nicht obdachlos sind, kein Flüchtling, keine unteilbare Erkrankung oder oder oder. Schlicht sind das Dinge, die wir einfach nur so schön finden. Zudem können wir dank ganz neu empfinden, da im Vergleich zu anderen Altersgenossen

Ich erinnere mich an die Erzählung einer Frau, die berichtete, wie sie ihre Freundin in den Tod begleitete. Die Freundin war in einem Hospiz. Sie meinte, dass der Blumenstrauß am Bett

Buddhismus

Welch enorme Kraft diese bibelähnlichen Erscheinungen wie buddhistische Mönche haben! Sie ziehen den Menschen in seiner Suche nach Sinn an.

Im Kern geht es beim Buddhismus darum, an allem Gegebenen zu zweifeln: ist es wirklich richtig, wie es sich darstellt?

Die zentrale Methode ist die Debatte zwischen Menschen: zu hinterfragen, was Thesen sind und somit die Wahrheit herauszuschälen.

Es geht um die innere Ordnung des Einzelnen, nicht um die politische und gesellschaftliche Ordnung für ein ganzes Land.

Ob Interessenten dies wissen, ist ungewiss. Vielleicht ist dieser komplette Gegenentwurf ja ausreichend attraktiv, um nicht mehr im Hier und Jetzt zu verbleiben und an seinen Konflikten und Unabwägbarkeiten zu verzweifeln.

Ich selbst ertappe mich beim größtmöglichen Unwissen über die Praxis dieser Weltreligion. Zwar habe ich bereits ein Buch des Dalai Lama gelesen, doch weiß ich deswegen noch nicht um die Lehren. Doch die Haltung dieses einen Mannes verrät mir eine Menge über die Faszination, es ihm nachzutun.

Dieses Lächeln in seiner Mischung mit Lebensweisheiten, die unmittelbaren und direkten Bezug zum Handeln der Menschen haben, sind so viel mehr als der bloße Hinweis des Christentums auf einen Gott, der da irgendwo für uns da ist.

Die ruhigen Bewegungen der buddhistischen Mönche und die in ihrer Kleidung ausgedrückte Demut ist etwas wie ein plakativer Gegenentwurf zum Leben in der entwickelten Welt, in der es um Bewährung, um Erfolg und um Wettbewerb geht. Dort nämlich können nur die Erfolgreichen glücklich sein.

Das Kopieren von buddhistischen Ritualen sowie das Bekenntnis haben viel damit zu tun, die westliche Lebensweise und ihre kollektive Moral abzulehnen. Das kann man als Statement und zur Schau gestellten Identität verstehen.

Das scheint ein wenig kulturell befremdlich. Nicht zu vergessen aber: wer sich frei entscheidet, entscheidet eindeutig reflektierter.

Bewusstsein um die eigene Lebensgeschichte

Wann war das, als der Mensch diesen Teil des Bewusstseins entwickelte, dass man etwas geschaffen haben sollte? Damit es eine Beruhigung gibt, nicht nur so dahin gelebt zu haben.

Ist es die Geschichtswissenschaft? Ist es das Bewusstsein, dass wir – auch als Einzelperson – nach unserem Tod noch erinnert werden können? Ist das dann ein Zwang?

Ich stelle mir den ägyptischen Sklaven vor, der am Bau der Pyramiden mitgewirkt hat? Er war nur ein Rädchen, eigentlich völlig austauschbar. Dennoch kann er für sich denken, dass er Teil eines größeren Bauwerks war; dass er somit etwas geschaffen hat.

Jäger und Sammler zuvor hätten nur konstruieren können, dass sie zum Überleben der Kinder beigetragen haben – mehr nicht, aber auch nicht weniger!

Dennoch: ist es das Zeitalter des Individualismus, das uns zwingt, auch uns selbst ein Denkmal zu erarbeiten?

Und dann muss man sich fragen, was wir im Leben davon haben, wenn wir erinnert werden? Am besten noch wertgeschätzt werden. Der kriminelle Böse und der Normalen dürften das schenken können. Doch was wäre dann?

Wahrscheinlich funktionieren viele von uns mit dem Drang, ideell zu fahren: das immaterielle Erbe ist so wichtig wie das, was wir unseren Lieben an Vermögen hinterlassen.

Zeitgemäß

Dinge müssen zeitgemäß getan werden – basta! Ein Konsens besteht wohl dazu. Denn schließlich steigt man von der Floppy Disk auf den Stick um genauso wie von Schallplatte auf CD oder zu einem Streaming Dienst.

Alles Alt vordere wird als vergangen abgetan. Vermutlich ist das ein Zeichen der Moderne. Denn alles Neue wird als Fortschritt gesehen. Die Überwindung von alten Zöpfen und restriktiven Traditionen löst Begeisterung aus.

Selbst im Sprachgebrauch hat dieser Topos deutliche Spuren hinterlassen.
Beispiele sind ‚Nie da gewesen‘, ‚Welturaufführung‘, ‚der neueste Schrei‘, ‚auf dem Laufenden‘ deuten darauf hin, dass

‚Zeitgemäß’ ist ein Argument in Entscheidungssituationen. Denn die Auswahl aus den Optionen fällt für den Standard, von dem man annimmt, dass er ‚norm‘al ist und der gesellschaftliche Konsens ist. Sicherlich könnte man sich frei davon entscheiden. Doch schließlich möchte man sich nicht dem Standard der Norm entziehen, würde es doch bedeuten, dass man nicht das tut, „was man tut.“ Also stellt es eine Unterwerfung unter die Norm da, die schlicht die Mehrheit der Mitmenschen lebt.

Nehmen wir an, dass man ein Auto kaufen will. Ohnehin hat man dann nur die Chance, ein solches zu kaufen, welches im Angebot der Einzelhändler ist. Alles andere würde Aufwand und Begründung bedeuten: so könnte man einen Oldtimer kaufen; oder ein Auto eines ausländischen Automärkten importieren; oder gar an eine Eigenentwicklung denken. Vielleicht kommt man auch vom Autokauf gänzlich ab, wieso auch immer. Diese Optionen bedeuten Nachdenken und Engagement.

Und immer würde man sich fragen lassen, wieso man nicht den einfachen und offensichtlichen Weg aller gegangen ist, um ein Auto zu kaufen. Man muss sich erklären! Abstrakt stellt man sich so gegen die Norm.

Doch „zeitgemäß – basta“? Ist die herrschende Meinung auch meine? Darf ich eine eigene haben?

Außenseiter, so what?!

Stellen Sie sich vor, Ihre Kumpels meiden Sie plötzlich. Was dann? Versuchen Sie, die Situation anzusprechen? Sind Sie beleidigt und bleiben heroisch alleine? Gehen Sie in die Unterwerfung und schmeicheln sich wieder mit bekannten Ritualen ein?

Was passiert, wenn man von seiner Bezugsgruppe ausgegrenzt wird? Es kann klein anfangen: man wird nicht mehr eingeladen; die Gruppe verhält sich distanziert, übliche Bezeugungen, dazu zu gehören, erfolgen nicht mehr; man gewinnt den Eindruck, dass über sich selbst getuschelt wird; gelegentlich hört man von Kritik oder Lästern über die eigene Person.

Die Dynamik kann sich bis zum Gau entwickeln, aktiv und sichtbar ausgeschlossen zu werden: „Du gehörst nicht mehr zu uns. Wir wollen Dich hier nicht mehr.“

Es schmerzt kaum etwas mehr, als nicht mehr die Chance auf soziale Anerkennung zu bekommen. Ausgeschlossen zu sein, lässt im Kern wie immer mehrere Optionen zu: es zu akzeptieren, sich zu wehren oder wegzulaufen. Es gelingt jedoch nie so richtig, da emotionale Enttäuschung und Verletzung im Wege stehen.

Das Interessante dabei: Alles verlangt eine Verhaltensänderung. Denn es wird nicht mehr so sein wie bisher – als man noch mit dem Schicksal Gruppe und ihrem Innenleben verbunden war. Man ist raus. Die Erinnerung jedoch ist lebendig. Vermutlich ist ein solcher Ausschluss noch viel gravierender als die Trennung nur von einem Menschen. Solches passiert immer wieder; das soziale Gefüge muss dadurch aber dann nicht ganz wegbrechen.

Manche Menschen nehmen die Rolle desjenigen für ihr gesamtes Leben ein, nicht dazu zu gehören und somit alleine zu bleiben. Ob sie sich gleichzeitig einsam fühlen, steht auf einem anderen Blatt. Denn möglicherweise benötigen sie wenig menschliche Nähe. Oder aber sie müssen sich schlicht daran gewöhnen.

Die Neulinge im Außenseitertum müssen das aber erst lernen. Sie kennen es womöglich nicht aus ihrer Jugend. Im Erwachsenenalter ist es dann schwer. Denn ist man immer akzeptiert und gefragt, kann man nicht damit umgehen, nicht gefragt zu werden.

Ein entfernter Bekannter von mir hat freiwillig und absichtlich diesen Weg gewählt. Eines Tages entschloss er sich, seine Kollegen nicht mehr zum Mittagessen zu begleiten. So blieb er lieber am Tisch alleine als sich den – für ihn – seltsamen Unterhaltungen zu unterziehen.

Es mag emotional schmerzlich sein, das Außenseitertum. Doch auch das kann emotional stärken, da man mit sich selbst im Reinen ist. Man fühlt sich ein bisschen wie ein Held und Widerstandskämpfer.

Ich weiß ja, dass Alkoholismus eine Krankheit ist

Vernunft und Instinkt können sich ausschließen, wie ich immer wieder bemerke. Ein besonderes Moment ist die Haltung von Menschen, die sich abfällig von einem Alkoholiker anwenden – auch wenn sie gelesen haben, dass Sucht unter das Label einer Erkrankung gehört.

Alkoholiker sind weithin geächtet – ähnlich wie dicke Menschen oder Menschen anderer Kulturen.

Ich habe mich häufiger schon gefragt, worin die Ursache dieser Mehrheitsmeinung besteht. Und natürlich hatte ich auf meinem Lebensweg schon Kontakte mit Trinkern, die übrigens allesamt recht umgängliche soziale Typen waren. Einmal habe ich mich eingemischt, einmal nicht, einmal musste ich von Amts wegen. Und auch ich hatte rechte ‚Manschetten‘.

Im Fall meiner Einmischung hat mir der Bekannte auf immer und ewig die Bekanntschaft gekündigt, nachdem ich einen Termin mit den anonymen Alkoholikern organisiert hatte.

Mehrmals habe ich es gelassen, es nicht angesprochen. Eine Person ist abgestürzt, hat ihre Anstellung verloren und schließlich Privatinsolvenz anmelden müssen. Ein älterer Nachbar in Kindertagen hat sein polterndes Unwesen getrieben, ist Treppen hochgestürzt und wieder herunter gefallen. Ein anderer Nachbar entsorgte morgens heimlich die leeren Wodka-Flaschen. Er starb einsam in seiner Wohnung.

Fälle akuten Alkoholismus habe ich gesehen und beobachte die noch. Eine Bekannte ist mir recht nahe. Beizeiten endet ein Abend in Gelalle und körperlicher Instabilität.

Ich bin umgeben von Alkohol. Meine väterliche Familie hatte eine gewisse freizeitliche Tradition, die sich um Bier organisierte, manchmal auch Härteres. Aber ich habe auch länger Fußball gespielt, so dass ich den Tanz um das Bier kenne, der immer wieder mit hohlem Gelächter besungen wird.

Auch ich bin beklemmt angesichts eines vollständigen betrunkenen Menschen, vor allem wenn er durch Jahre langen Missbrauch gezeichnet ist. Das gilt für den Jugendlichen am Rande von Großveranstaltungen – wie Karneval; der Zustand ist gepaart mit Gegröle und unvermittelter Nähe zu den Mitmenschen. Das gilt auch für den obdachlosen Trinker, der riecht, torkelt und Ekzeme aufweist.

Genau dieses Gefühl des körperlichen und moralischen Ekels dominiert die Reaktion: körperlich weicht man zurück, der Kopf schnellt nach hinten. Man will dem Geruch entweichen, vor den vermeintlichen Keimen fliehen.

Und vor allem bei Menschen im direkten Umfeld distanziert man sich empört: der trinkt doch; der ist nicht bei Sinnen; der hat sich nicht im Griff; der ist doch schwach; dem kann man nicht auf Augenhöhe begegnen, da sein Image auf mich zurückfällt, meinen Status untergräbt.

Gerade der Umgang mit einer Krankheit, die scheinbar auf Freiwilligkeit beruht und vermeintlich selbst gesteuert wird, ist schwierig – wie bei allen psychologischen Erkrankungen. Denn der engrist ff – sei es durch Medikation oder eine medizinische Maßnahme – . Denn bei der Frage der Auslösung schwingt immer mit, der Patient sei mitverantwortlich.

Das kann man auch bei einigen anderen Erkrankungen sagen, die jedoch weniger Schwierigkeiten beim Umgang machen: der Sport verunfallte Körper; Diabetes 2; Burn out; COPD; Und doch gelingt es uns dann besser, die Krankheit zu entdecken.

Vielleicht sind wir ja das Problem, nicht der Alkoholerkrankte.

Buhmänner

Auf dem Bahnhof in Frankfurt sah ich eine Aktivistin, die für Sympathie für die Polizei warb. Sie war einer dieser Menschen, die im öffentlichen Raum mit irgendwelchen Botschaften für die Welt auffallen, meist sozial entrückt, wohl oft mit einer wilden Lebensgeschichte und körperlich ausgezehrt.

Doch interessant ist diese Botschaft wirklich. Denn Polizisten sind für eine große Mehrheit der Gesellschaft Feindbild – wie kaum eine andere Berufsgruppe; vielleicht Lehrer, oder Müllmänner, oder Geldeintreiber …

Beim völlig objektiven und distanzierten Blick muss das den Betrachter erstaunen. Denn nichts rührt Menschen mehr als ihre körperliche Sicherheit und Unversehrtheit in ihrer alltäglichen Umwelt. Und wird man bedroht, so ruft man nach der Polizei, dass sie einschreiten möge. Das größte Verdienst der Moderne und des Staates überhaupt ist die innere Sicherheit.

Zweitens ist man in Deutschland wohl wie kaum in einem anderen Land mit einer Polizei gesegnet, die gut ausgestattet und organisiert ist. Zudem sind Polizisten selten in Verdacht, ein korrumpierter Haufen zu sein oder in kriminelle Machenschaften verstrickt zu sein. Das ist in vielen Ländern weltweit Normalität. Dort ist die Polizei entweder Selbstbedienungsladen, ein Staat im Staat oder eine tagtägliche Bedrohung der Bürger. Genau das überrascht Neuankömmlinge in Deutschland.

Unter Deutschen allerdings gelten Polizisten als potentiell übergriffig und ungehemmt, überreagierend, verschwörerisch, usw. Für linke Kritiker des Staates sind sie Bullenschweine. Dort hält man den Mythos des deutschen Herbstes Ende der 1970er Jahre für das wahre Gesicht eines Unterdrückungsapparates, der Rasterfahndung betrieb, massenweise Freiheitsrechte einschränkte oder sich nicht an Vorschriften hielt.

Wieso schauen wir eigentlich so gerne Krimis an? Weil wir etwa diesen Schauder lieben? Weil wir diese schnoddrigen Typen mögen, die immer anecken? Weil Polizisten ein Gegenentwurf zur eigenen Normalität sind? Weil es dort im Leben und Tod geht?

Interessant ist, dass man persönlich immer ganz neugierig wird, wenn man Polizisten kennenlernt. Mir sind immerhin einige im Leben begegnet. Zuerst war es ein weiblicher Lehrling meiner Mutter, letztens eine ehemalige Azubine meines Arbeitgebers, die dann Kommissarsanwärterin wurde. Und schließlich traf ich einen echten Kommissar für Wirtschaftskriminalität, der mir eher wie ein verdeckter Ermittler bei der Mafia erschien.

Man könnte Buhmänner auch Anblaffpuppen nennen. An ihnen lässt es sich abreagieren wie an Sandsäcken. Sie sind beliebte Zielscheiben. Und das alles ist tradiert. Die meisten könnten es vermutlich nicht erklären. Buhmänner haben es nicht leicht.

Contents

Kürzlich habe ich an einem Workshop teilgenommen. Thema: Brainstorming über Design und Gestaltung einer neuen Website.

Mir widerfuhr, was ich nicht für möglich gehalten hatte: ich wollte darüber sprechen, ob das eine oder andere Gestaltungselement hilfreich ist. Mir schwebte vor, dass ich die Gestaltung dem Zweck unterordne, unter den das ganze Experiment gestellt war. Denn das Design soll ja schließlich den Zweck der Seite besser transportieren helfen.

Es kam ganz anders. Mir wurde klar gemacht, dass man sich spielerisch mit Elementen befassen sollte. Es bedürfe des Schneidens und Klebens von Gestaltungselementen, um dem Design einen Ausdruck zu verleihen. Nur diese Spontaneität, das Experimentieren und das Fallenlassen garantierten die Güte der künftigen Seite: „theoretische Diskussionen helfen uns hier nicht weiter.“

Der Beurteilungsmassstab bestand schließlich aus Geschmack und Novität. Die Diskussion offenbarte primär ästhetische Merkmale, die es unbedingt zu beachten gelte. Vor allem neue Standards wurden zur Grundlage dafür genommen.

In der Auswertung einigte sich die Runde schnell darauf, dass sich der neue wohltuend von dem aktuellen Zustand distanziere: „Gott sei dank keine Bleiwüste mehr!“

Es war dann von Sliders die Rede, übersichtlichen Seiten, ästhetischen Elementen und des Zugriffs auf Informationen mit nur drei clicks. Es drehte sich alles um die Verpackung, so gut wie nichts um die Informationen, die transportiert werden sollen. Zufrieden lehnte sich die Mehrheit zurück, indem man auf die übersichtliche und wortlose Ästhetik blickte.

Das Expertenteam, das den Workshop moderierte, meinte, dass dies nun einmal heute so sei. Man müsse sich dem unterordnen. Und schließlich konkurriere man mit anderen um die Aufmerksamkeit des Publikums. Und wer da nicht zum Verweilen auf der Seite eingeladen werde, der habe gleich verloren.

Ich dachte nur, dass sich also auch bei Unternehmen derselbe ‚run’ um Aufmerksamkeit vollzieht wie unter den Menschen: jeder will gesehen werden; jeder will in einem guten Licht erscheinen. Und auch dabei ist es gleichgültig, ob man einen Beitrag geleistet hat, ein guter Mitarbeiter zu sein.

Ich wurde in einer Zeit sozialisiert, als der Schein weniger wichtiger war als das Sein: wir Jugendlichen verweigerten uns, gut gekleidet zu sein; dafür gingen wir auf anti-AKW-Demonstrationen. Wir zelebrierten, nicht auf unser Äußeres zu achten, dafür aber die wichtige Literatur zu lesen. Dass die Autoren auch Signalwirkung hatten, hätten wir niemals zugeben:-) Dennoch, auch ich meine es noch immer ernst, wenn ich Fragen zur Gestaltung vor mir habe. Sie sind nur Mittel zum Zweck, nicht der Zweck an sich.

Wie sehr man sich vertun kann, zeigt die Partnerwahl: wer nur auf das Äußere des anderen achtet, vergisst, dass er sich mit ihm / ihr auch noch unterhalten können muss. Moden sind Moden. Schon die Quelle des Wortes weist darauf hin, dass es sich nur um einen Modus handelt.

‚Contents‘ werden zwischenzeitlich aber eher verächtlich von diesen Entwicklern betrachtet: wichtig ist die Organisation des Prozesses, die Schnelligkeit der Übertragung, der Komfort der Handhabung usw. Die Contents können dann ja später eingespeist werden.

Bilder lassen sich dafür allenthalben finden: Werbung und Verpackung sind wichtiger als das Produkt; der Verkaufserfolg eines Buches besser als seine Qualität; die körperliche Wohlgeformtheit besser als die Gesundheit; die Fassade schöner als der Wohnbereich usw.

Und auch die Gesellschaft macht mit: Image und Bild sind oftmals wichtiger als die Leistung an sich. „Eine gute Figur zu machen“, kann entscheidender als das Resultat sein. Der Ankündigungspolitiker ist im Moment glaubwürdiger als der Ergebnispolitiker.

Ich mag Contents. Ich bin neugierig auf das Erfahren von Inhalten. Natürlich bin ich froh, wenn es mir leicht gemacht wird, Inhalte zu erschließen. Im Kern aber zählt nur das, was man entdeckt. Es ist wie mit einem verpackten Geschenk: wenn man vorgedrungen ist, hält man es stolz in Händen und zerknüllt das Geschenkpapier.

In Zukunft ist alles besser

Wie häufig bin ich schon dem Topos begegnet, dass Früher alles besser war. Doch bin ich immer nur solchen begegnet, die den Satz eher beiläufig und unbedacht geäußert haben. Ich habe selten Personen getroffen, die das aus Inbrunst der Überzeugung als Einschätzung ausdrückten – obwohl ich viele Personen treffe, die die Transformation von der DDR zum gesamtdeutschen Staat mit Verlusten verbinden müssen.

Derzeit jedoch höre ich anderes: es lebe die Zukunft, bekämpft das Heute! Es ist die Avantgarde der digitalen Transformation, die sagt, das alles besser würde.

Das Silikon Valley als Symbol für den ‚mental state of mind‘ versorgt den Rest der Welt mit einer Vision, dass digitale Technik alles versüßt. Doch ist offen, ob die Erleichterung des physischen Seins den Menschen langfristig zum Vorteil gereicht. Denn was hat der Mensch noch zu tun, wenn ihm alles abgenommen ist? Wird er dann der Nero, der auf seinem chaise longe nach Trauben schreit?

Die Silikon-Valley-Optimisten sind Techies. Sie sind weder Philosophen noch erfahren. Doch glauben sie – wie einst die katholische Kirche – uns ein säkulares Himmelreich versprechen zu können. Im Hintergrund steht noch die kommunistische Utopie, jeder könne das tun, was ihm gefällt.

Die Grundannahme ist, der Mensch erhalte Freiraum, um sich zu verwirklichen. Er könne sich dann seinen Interessen und persönlichen Wünschen widmen. Ich will nicht böse unken, dass dies Menschen überfordern könnte. Doch frage ich mich, ob der Mensch reif genug ist, den Kampf um den täglichen Broterwerb über Bord werfen zu können. Schauen wir dann Netflix und anderes, um ein wenig Leben in unser Dasein zu lassen?

Was anders ist als bei Visionen in der Vergangenheit: dort hatte der Mensch konkrete Hindernisse vor Augen, die er überwinden wollte. Der Akteur wusste, was er wollte. Was wird geschehen, wenn wir keine Hindernisse mehr haben, die zugegebenermaßen damals in sozialen Ungerechtigkeiten lagen?

Es stellt sich tatsächlich die Frage nach Fortschritt: was kann denn das dann noch sein? Was macht der Mensch dann?

Vielleicht werden wir dann alle Historiker, um zu konstruieren, wie eine andere Lebenswirklichkeit in der Vergangenheit aussah.

Der absolute Wert des Menschen

Bundesgesundheitsminister Spahn verbietet derzeit die Ausgabe von Medikamenten zur Selbsttötung an Schwersterkrankte. Das Leben sei zu heilig, als dass der Eigner des Lebens darüber verfügen könne. Gewissermaßen ist es ein heiliges Gut. Der Staat sei nicht zur Fürsorge verpflichtet, das würdige Ableben von Schwerstkranken zu unterstützen.

Bundesinnenminister Seehofer will dagegen eine Art von Konzentrationslager für vor Krieg und Mord geflüchteten. Am besten schiebt man sie in ihr ungewisses Schicksal ab – in der leisen und nicht ausgesprochenen Hoffnung, sie mögen krepieren. Dann würden sie niemandem zur Last fallen.

Es ist schwer nachvollziehbar, was beide politischen Überzeugungen mitsamt ihrer Maßnahmen mit unserem christlichen Erbe zu tun haben. Denn beides ist nach allgemeiner Anschauung un-menschlich. Dennoch tragen beide Namen der Partei ein großes C, das die Verpflichtung christlicher Werte andeuten soll.

Eine Parallele zum politischen Islam drängt sich auf: denn gegen das Missionarstum einer winzigen militanten Gruppe begehrt auch der tolerante Mensch auf, indem er sagt, dass dies nicht repräsentativ sei. Daher gilt es diesen zu bekämpfen. Die Menschen im Westen setzen dann den Terror mit dem Islam gleich, verdammen die gesamte Religion als eine, die dem Christentum minderwertig ist, da sie Gewalt und Krieg unterstützt.

Und ähnlich verhält es sich wohl mit dem Buddhismus, der als Staats- und Mehrheitsreligion im Myanmar derzeit die Verfolgung einer Minderheit duldet, die außer Landes getrieben wird. Damit werden zudem noch andere Menschen belastet, die dann den Flüchtlingen eine Heimstadt geben müssen.

Daran ersieht man, dass die Religion, die den absoluten Wert des Menschen reklamiert, immer wieder die Natur des Menschen zu überfordern scheint. Es ist schade, dass Gläubige nicht auch gleichzeitig Heilige sein können.

Der Wert des Menschen ist schon allein in dieser Hinsicht relativ: denn der Mensch ist nur der, der einem nahe steht. Oder zu den bekannten Gruppen von Schwächeren gehört, wie die ritualisierte Formulierung von Kindern, Frauen und Älteren demonstrieren. ‚Unser eins’ ist der Mensch, der schützenswert ist. Es ist eigentlich nur das Spiegelbild, das dem Menschen abverlangt, einen Schutzantrieb auszulösen. Er ist es selbst, den es zu schützen gilt.