In Zukunft ist alles besser

Wie häufig bin ich schon dem Topos begegnet, dass Früher alles besser war. Doch bin ich immer nur solchen begegnet, die den Satz eher beiläufig und unbedacht geäußert haben. Ich habe selten Personen getroffen, die das aus Inbrunst der Überzeugung als Einschätzung ausdrückten – obwohl ich viele Personen treffe, die die Transformation von der DDR zum gesamtdeutschen Staat mit Verlusten verbinden müssen.

Derzeit jedoch höre ich anderes: es lebe die Zukunft, bekämpft das Heute! Es ist die Avantgarde der digitalen Transformation, die sagt, das alles besser würde.

Das Silikon Valley als Symbol für den ‚mental state of mind‘ versorgt den Rest der Welt mit einer Vision, dass digitale Technik alles versüßt. Doch ist offen, ob die Erleichterung des physischen Seins den Menschen langfristig zum Vorteil gereicht. Denn was hat der Mensch noch zu tun, wenn ihm alles abgenommen ist? Wird er dann der Nero, der auf seinem chaise longe nach Trauben schreit?

Die Silikon-Valley-Optimisten sind Techies. Sie sind weder Philosophen noch erfahren. Doch glauben sie – wie einst die katholische Kirche – uns ein säkulares Himmelreich versprechen zu können. Im Hintergrund steht noch die kommunistische Utopie, jeder könne das tun, was ihm gefällt.

Die Grundannahme ist, der Mensch erhalte Freiraum, um sich zu verwirklichen. Er könne sich dann seinen Interessen und persönlichen Wünschen widmen. Ich will nicht böse unken, dass dies Menschen überfordern könnte. Doch frage ich mich, ob der Mensch reif genug ist, den Kampf um den täglichen Broterwerb über Bord werfen zu können. Schauen wir dann Netflix und anderes, um ein wenig Leben in unser Dasein zu lassen?

Was anders ist als bei Visionen in der Vergangenheit: dort hatte der Mensch konkrete Hindernisse vor Augen, die er überwinden wollte. Der Akteur wusste, was er wollte. Was wird geschehen, wenn wir keine Hindernisse mehr haben, die zugegebenermaßen damals in sozialen Ungerechtigkeiten lagen?

Es stellt sich tatsächlich die Frage nach Fortschritt: was kann denn das dann noch sein? Was macht der Mensch dann?

Vielleicht werden wir dann alle Historiker, um zu konstruieren, wie eine andere Lebenswirklichkeit in der Vergangenheit aussah.

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