In der Demokratie sollen Argumente gewechselt werden, bis ein Konsens entsteht. Dies ist Essenz und zentraler Glaubenssatz in der demokratischen Theorie. Und immer wieder wird sie mit neuen Begriffen geformt und mit anderen Bildern untermalt.
Gibt es jedoch so etwas wie eine Verfahrensanweisung zur Qualitätssicherung? Was muss man tun, damit das gelingt? Gibt es eine Checkliste? Was muss man tun, damit dies nicht misslingt?
Einen gelernten Mechanismus gibt es dazu nicht. Ein Ausflug in Mediation und Verhandlungstaktik würde es wert sein. Dort geht man eigentlich davon aus, dass die Zielsetzung ein schlussendliches Einvernehmen ist. Beispielsweise die Harvard Methode der Verhandlung besagt, dass alle einen Deal wollen. Seltsam nur, dass eben der Konflikt eine 50 : 50 Chance besitzt, beigelegt zu werden. Ansonsten bleiben Sprachlosigkeit und zementierter Hass.
Man könnte versuchen, so etwas wie eine ‚Theorie der alltäglichen Konfliktbeilegung‘ zu begründen. Man muss wohl kaum erfinden, nur verpacken und kommunizieren – glaubt man. Damit sollte dann auch einhergehen, Abwägung, Ermessen und Verhältnismäßigkeit einbeziehen. Diese Reifezustände sollte jeder lernen.
Aber jetzt kommt die Frage: wie viel Streit verträgt die Demokratie? Allmählich wächst die Erkenntnis, dass die Grundannahme nicht stimmt, die Kontrahenten würden sich irgendwie einigen – zumindest auf den Dissens. Es könnte naiv sein zu hoffen, sich einfach um einen Tisch zu setzen und solange auszutauschen, bis jeder den anderen versteht und akzeptiert.
Das zeigt sich derzeit in den USA, die als polarisierte Gesellschaft dargestellt wird. Dort gehen Risse durch Familien, Nachbarschaft und anderen natürlichen sozialen Gruppen. Die Menschen hassen und schreien. Sie hören vielleicht einmal zu, aber haben keine Bereitschaft zum Verstehen, Kompromisse erörtern oder Einlenken.
Blickt man auf die Versöhnung, so liegen die Sachverhalte anders als bei der Sühne und Verantwortung für einer ungerechte Staatsform zuvor. Gerade bei Kriegen und Diktaturen ist dies ein immer neuer Versuch, der meist wesentlich länger dauert als der vorausgegangene Konflikt.
Und dann sind da auch nicht die Schlüsselerfahrungen. Der Konflikt kommt mit den Geschwistern ins Leben, dann auf den Spielplatz oder in die Schule. Irgendwann – ja irgendwann, kommt ein Dritter und verlangt von den beiden Kontrahenten: nun vertragt Euch wieder! Und es in etwa so schlimm wie die erste zerbrochene Liebe. Man will es einfach nicht. Nachgeben zweitens ist etwas für Feiglinge. Und man will doch stark sein, vor allem wenn man jüngeren Alters ist. Dann kommt noch der Konflikt mit den Eltern, der entweder im Nachgeben oder totalen Opponieren endet. Und dieses Muster verbleibt dann meist ein ganzes Leben lang im Verhältnis der beiden Generationen. Und schließlich begleiten uns die Konflikte in die Lebenspartnerschaften: eine Ehe zu erhalten – so sagt man – ist schwieriger als sie zu beenden. So scheint es auch mit Krieg und Frieden im Allgemeinen.
Und immer wieder derselbe Versuch: redet doch miteinander! Dann wird es schon. Wie hörte ich kürzlich von einem Mediator: Kommunikation ist Glückssache! Und wie stellt man sich dann vor, durch bloßes Reden wieder zu einander zu finden? Reden ist doch auch nur das Arbeitsmittel, dazu kommen Zuhören, Formulieren – und natürlich Austauschen.
Unsere Erfahrung lehrt uns also, dass dies kein Patentrezept ist. Reden mit anderen, also Interagieren und Kommunizieren ist etwas für Könner und Neugierige – und natürlich diejenigen, die geben können. Es ist nicht nur provokativ zu ergründen, ob Schweigen einfach besser wäre.