Senizid

Dem Wort begegne ich nun erstmals während der Corona-Krise. Nicht einmal Schirrmacher habe ich das sagen gehört oder schreiben gelesen, auch nicht bei anderen, die sich der Älteren vermeintlich entledigen wollen.

Senizid bedeutet den Selbstmord der Alten in einer Gesellschaft. Man sagt es den Germanen und nordischen Völkern nach, passt es doch auch gut zu dem Mythos, sich für seinesgleichen aufzuopfern – ohne Opfer auch keine Heldentat!

Es zeigt sich vor allem in Ausnahmesituationen wie bei einer Naturkatastrophe: die Alten opfern sich für das Leben der Jüngeren. Schon im Kleinen sind diese Glaubensgüter zu sehen: wir haben nicht mehr lange zu leben – wofür brauche ich noch die Sachen?

Die Debatte um Sterbehilfe zeigt ein immer wieder kehrendes Element: der Alte soll sich nicht opfern müssen, weil er denkt, er würde der Gesellschaft zur Last fallen. Das dürfte der Umkehrschluss dessen sein, was uns der Mythos mitgibt.

Und gerade in Schweden scheint man nun dennoch ein historisches Beispiel ungeheuren Ausmaßes gefunden zu haben: man ist sich der Tödlichkeit des Virus bewusst, wenn es die Älteren trifft. Deren Schutz soll aber nicht die Einschränkung des Lebens der jüngeren rechtfertigen müssen. Das gerät nun ins Wanken, da die Zahlen der Toten stark anstiegen.

Altentötung wird Senizid übersetzt. In der frühen Menschengeschichte machte es wohl Sinn: so konnten die knappen Ressourcen eben denjenigen vorbehalten werden, die sie zum weiteren Leben benötigten. Mit dem Vordringen von Wohlstand und Menschenrechten ist dies gänzlich aus der Geschichte der entwickelten Welt verschwunden.

Es dürfte heutzutage Platz gemacht haben dem Selbstmord für die Gemeinschaft, also einer Art Kamikaze. Denn die Älteren wollen nun einmal nicht ihr Gefühl, gut gelebt zu haben, und die Überzeugung, für die Kinder und Kindeskinder sorgen zu wollen, aufgeben. Dies gehört wohl zu einem gelingenden Leben – freilich gepaart mit der Anstrengung und Müdigkeit des Alters.

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