Man muss sich doch bewusst sein, wie schnell das Leben zu Ende sein kann

Erinnern kann ich mich nicht, wie häufig ich Artikel gelesen habe, die den Leser anregen, täglich darüber nachzudenken, wie schnell das Leben vorüber sein kann.

Ich frage mich zwischenzeitlich, ob ich das eigentlich tun soll. Was würde es mir bringen? Was aber würde das auch auslösen, wenn ich dies umsetzte?

Positiv wäre wohl zu bemerken, dass ich täglich an den fragilen Zustand meines Lebens erinnert würde. Daraus könnte ich dann immer wieder schließen, dass ich froh sein könnte, recht problemlos leben zu können. Daraus könnten sich bei mir Dankbarkeit und Demut einstellen.

Andererseits könnte ich mir täglich vor Augen führen, dass es immer schnell vorbei sein kann. Dies könnte mich lähmen, Projekte anzugehen, die notwendige Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen oder apathisch zu werden. Schlimmer noch: ich könnte ängstlich werden, um jedes Risiko zu meiden, sterben oder verunfallen zu können.

Nun gibt es auch diese Redensart, dass nur Gott wisse, wann man sterben wird – und das sei auch gut so. Es bestünde ein Vorteil darin, nicht zu wissen, wann man sterbe. Worin der besteht, ist indes alles andere als einfach zu klären.

Ich weiß nicht, ob ich mich täglich meiner Sterblichkeit erinnern muss. Nehme ich es ernst, lebe ich nur noch ernst und bewusst, vielleicht nur noch auf ein langes Leben bedacht. Vielleicht wird das so ereignisarm, dass ich traurig werde und schließlich unter Depressionen leide.

Und dass ich täglich mein eigenes Leben feiere, würde wohl meine Mitmenschen den Kopf schütteln lassen, was sich dieser Mensch wohl einbilde, nur auf sein eigenes Leben Bezug zu nehmen.

Lieber entwickele ich Pläne für die Zukunft und entwickele so Zuversicht. Falls es mich dann vorher erwischt, ist mir das Scheitern dann wohl auch gleichgültig.

Neulich in der Notaufnahme

An einem Wintertag wartete ich in der Notaufnahme. Dort ist alles informell. Die Intimsphäre eines Patienten wird oftmals nicht gewahrt, da dafür weder Zeit noch Raum ist. Zudem wird mit wenigen medizinischen Ressourcen gearbeitet, so dass sich die Patienten wie ein Haufen von Bittstellern präsentieren müssen, um von den herum huschenden Medizinern wahrgenommen zu werden.

Man sieht alles durch die offenen Türen. Da liegt dann der eine Patient stöhnend. Der andere ist unverschleiert auch in seinen Intimsphären zu beobachten. Und die Sorge steht sprichwörtlich den Angehörigen und Freunden ins Gesicht geschrieben.

Dort sah ich einen älteren Mann stehen, korpulent, in beigen Kleidern und etwas wackelig. Er stand dort hilflos neben dem Bett, in dem seine Frau wie ohnmächtig, bewusstlos und ohne Regung lag. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, wie es um seine Frau stand. Die Frau sah ungleich älter aus, obwohl der Mann auch schon betagt war. Es war wohl kein echter Notfall, da die Frau nicht versorgt wurde, sondern einfach nur da lag.

Irgendwie stieg in mir der Eindruck auf, dass der Mann die Situation entweder schon kannte oder keine Sorge mehr haben wollte, da ohnehin alles gelaufen ist. Gerade das erfüllte mich mit dieser frustrierenden Hoffnungslosigkeit, die in mir Traurigkeit aufsteigen lässt.

Das steigerte sich noch, als der Arzt den Mann anwies, in zwei Tagen wieder zu kommen. Er nahm das regungs- und in gewisser Weise teilnahmslos hin. Er wand sich nichtmals seiner Frau zu.

Wie es wohl ist, wenn man die Situation auf sich zukommen sieht, dachte ich mir. Ist man panisch, resigniert? Oder ist man rational, da sich ohnehin nichts ändern lässt? Vermutlich ist man inhaltsleer und beobachtet sich selbst, wie man sich so bewegt.

Fußabdruck – und gesunde Zweifel

Im Flugzeug saß ich, als ich eine Dokumentation über den Klimawandel anschaute – kommentiert und geführt durch den Schauspieler de Caprio. Anlass war der Pariser Weltklimagipfels, um den Klimawandel aus allen Perspektiven zu beleuchten und die Szenarien zu erklären. Gleichsam wurde die politische Wahrscheinlichkeit erörtert, mit der eine Bekämpfung möglich wäre.

Was gibt es Schöneres als Desensibilisierung oder eben die Konfrontation mit der Wirklichkeit? So saß ich in diesem Sitz und konnte geradezu durch das Geräusch des Flugzeugs hören, wie ein Liter nach dem anderen in den schönen Himmel gepustet würde – auch um mich nach B zu bringen.

Das Gefühl ist das wie ein ertappter, der eigentlich seine Tat verbergen wollte – vor den anderen, aber vor allem auch vor sich selbst. Darauf trifft der Satz, den Sachverhalt nicht wahrhaben oder eben nicht gelten lassen zu wollen. Man kreiert gewissermaßen ‚alternative Fakten‘, man belügt sich eben selbst. Meine Mutter hätte gesagt: „man lügt sich in seine eigene Tasche.“

 

Bei mir als Konsument hat der Appell einmal mehr gewirkt. Also fühle ich mich bestärkt, gegen den Klimawandel zu sein und so auch politisch verantwortlich zu wählen. Auch klopfe ich mir auf die Schulter, da ich keinem Hobby nachgehe, das bekanntlich klimaschädlich ist.

Und ich kann mit einigem Nachdenken vermutlich auch für mich begründen, das ich mich persönlich eher im Bereich der Klimaschützer befinde.

Wenn da nicht nur die Fakten wären, die viel meines Lebens in Frage stellen. Denn auch ich nehme das Flugzeug. Auch ich esse Rindfleisch. Und auch ich konsumiere Palmöl, auch wenn ich nicht weiß mit welchen Produkten und Lebensmitteln. Dazu kommt natürlich ein Auto, das ich für private Vergnügungen und Hobbies nutze.

Zwar bin ich – mehr oder weniger – ein typischer aufgeklärter Mensch. Denn ich beziehe meinen Strom von einem alternativen Anbieter. Ich nutze das Auto nur, wenn die Alternative sehr aufwändig wäre und höhere Kosten verursachte. Ich vermeide Plastiktüten. Ich trenne den Müll.

Aber ich habe eben auch eine Lebenssituation, die mein schädliches Tun minimiert: kein Pendeln zur Arbeit; keine Angehörigen, die ich Herkunft kutschieren muss; ein Leben in der Stadt; usw.

Und ganz ehrlich: ich blicke so gut wie nie auf meine CO2-Bilanz, von der ich nicht weiß, ob sie durchschnittlich ist.

Und wann lasse ich mich schon beeindrucken, wenn es an den Kauf von Produkten geht, die ich gerne erwerben würde? Das iPhone würde ich vermutlich auch trotz der Bedingungen in den Produktionsstätten kaufen.

Was hilft es? Den unbequemen Weg muss ich gehen, wenn ich tatsächlich ein gutes Gefühl für mein Tun haben will. Ich muss mir selbst beweisen, dass ich richtig handele. Also muss ich prüfen, ob ich ‚die anderen‘ zur Verantwortung ziehen und zum Handeln auffordern darf. Wenn ich jedoch auch zu den Missetätern gehöre, muss ich mein Verhalten ändern.

Zweifel sind ein gutes Frühwarnsystem falschen Handelns. Wir können froh sein, dass uns ‚Bauch‘ und Intuition mitteilen, wenn Nachdenken geboten ist.

Tierloser Nichtraucher

Kürzlich sah ich in eine Verkaufsanzeige für Schuhspanner. Darin versicherte der Verkäufer, dass er ein ‚tierloser Nichtraucher‘ sei.

Ich stutzte, da ich zunächst die Verbindung nicht sehen konnte. Denn wieso sollte ein gebrauchter Schuhspanner, der ein verkeimtes und biologisch angereichertes Milieu bewohnte, plötzlich dadurch kontaminiert werden, dass Tiere und Rauch seine Wohnung bevölkern?

Vielleicht ist der Verkäufer auch ein Biologe, der die Biotope gut vergleichen und somit die echten Gefahrenherde identifizieren kann.

Oder er ist ein Power Seller, der weiß, dass sich solch eine Formel immer gut auf den Verkaufspreis niederschlägt. Es gibt ja ohnehin diese evergreens, die Verkauf erleichtern: Handmade zum Beispiel; vom Bauernhof; aus der Region – ist so eine Kategorie. Aber auch der Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse soll die Käufer von der Qualität überzeugen. Oder aber man appelliert an den Geist des Schnäppchens.

Was würde geschehen, wenn das Holz Rauchspuren angenommen hätte? Und was wäre, wenn ein Papagei mit dem Schuhspanner spielen konnte? Vielleicht würden sich Käufer animiert fühlen, dann die Schuhspanner zu erwerben.

Ich kaufe jetzt diese Schuhspanner und gehe das Experiment ein.

Unmündig, aber verantwortlich

80 Prozent der türkischen Wähler konnten nicht erläutern, was sich mit dem Referendum verfassungsrechtlich ändern würde. Sie haben die Demokratie abgeschafft, eine Diktatur ermöglicht.

Vielleicht ist diese Form der Regierung ja folgerichtig. Denn wer nicht mitdenkt, sollte auch nicht bei demokratischen Wahlen zu Sachfragen mit entscheiden. Man lässt gemeinhin Unkundige auch nicht Expertenentscheidungen treffen. Oder sollte man etwa Kinder die berufliche Entscheidung ihrer Eltern treffen lassen? Und Laien über eine medizinische Operation?

Erdogan wird auch ‚Rais‘ gebannt. Das bedeutet ‚Führer‘. In Schwellenländern gibt es den Fachbegriff der Entwicklungsdiktatur, die in Kauf nimmt, dass demokratische Wahlen hintan gestellt werden, so lange nicht ein gewisses Bildungsniveau erreicht ist.

So weit, so schlecht. Denn auch in unserer deutschen Demokratie sind Wähler mehrheitlich nicht in der Lage, die Essenz der Parteiprogramme wiederzugeben. Wir stimmen nach Hören/Sagen ab, nach Image und traditionellen Positionen der Parteien. Wie wenig wir über die Detaillierung von politischen Antworten wissen, zeigt sich, wenn wir selbst den Wahl o’Mat bedienen. Denn oft zeigen sich in der Summe erstaunliche Ergebnisse: so müsste man eigentlich für eine politische Partei votieren, die man nicht mag.

Mit diesem Referendum jedenfalls ist eindeutig, dass die Türkei einer Kultur angehört, die uns Europäern fremd ist. Aber das könnte man auch von Ungarn und Polen sagen, von denen man nicht mehr weiß, was sie wollen. Und gar die Briten haben eine Entscheidung getroffen, die ihnen wohl mittel- und langfristig Nachteile bringt, aber momentan eine emotionale Befriedigung gibt. Und auch die Italiener haben sich gegen eine Rationalisierung ihrer Verfassungsstrukturen entschieden.

Vielleicht hat die Un-Kultur derzeit Kultur. Doch ist diese Kultur neu, kleinräumig, anti-modern und intolerant. Hoffen wir, dass wie alle unser Bildungsniveau erhöhen.

Verantwortung im System

Aus meinen Erfahrungen drängt sich auf, dass sich eine Systemlogik oft über den gesunden Menschenverstand hinwegsetzt.

Beispiele finden wir immer wieder, wenn es um die Berichterstattung eines ‚moralischen‘ Skandals handelt. Besonders drastisch ist das Handeln von Nazi-Verbrechern, die angaben, dass sie tun mussten, was sie taten. Auch in anderen Versöhnungskommissionen gibt es immer wieder diese Argumentation – in kurz: hätte ich nicht gehandelt, dann hätten die anderen mich ungebraucht.

So einfach kann es gehen: die anderen und das System entschuldigen mein Handeln. Das Handeln ist erforderlich, da ohne es Pressionen gewirkt und Sanktionen gedroht hätten.

Nun ist es nicht so, dass man immer mit einer existenziellen Bedrohung konfrontiert ist. Oft sind es mildere Sanktionen wie schräges Angucken durch andere, Außenseiterstatus, Konflikt o.a. Es kann aber auch schlicht Lethargie oder Faulheit sein.

Es wird wohl stets eine individuelle Abwägung geben: zwischen dem Mehrwert und den erwarteten Nachteilen. Doch ist der Mensch nicht nur ein homo rationalis, sondern auch ein Wertewesen, das sich für bestimmte Haltungen entschieden hat. Es identifiziert sich darüber, es leitet davon sein Handeln, seine Hobbies, seine Freunde und vor allem seine Urteile ab. Und die können mit dem System – was es auch immer ist – in Konflikt geraten.

Wie es der Mensch schon in der Savanne gelernt hat, kann er fliehen, kämpfen oder in Schockstarre verfallen. Es ist ähnlich dem englischen Sprichwort ‚take it or leave it‘.

Am Ende ist somit eher die Abwägung zwischen Konflikt und seiner Vermeidung.

Blickt man jedoch um sich, sind diejenigen, die für ihre Vorstellungen einstehen, dafür Opfer auf sich nehmen, sich engagieren, immer nur eine kleine Zahl. Diejenigen, die dem ihrem Komfort und dem äußeren Friedens und so weiter verpflichtet sind, machen immer die Mehrheit aus.

Das an sich muss man akzeptieren und einfach hinnehmen. Jedoch sollte man dann auch hinnehmen, dass nur die Menschen dieser Minderheit keine inneren Konflikte haben, mit sich eins sind und glaubwürdig genannt werden können. Die Mehrheit ist es nicht.

Vor diesem Hintergrund können uns Systeme so determinieren, dass wir nur noch die Rädchen sind. Wir sind also fremd bestimmt. Unsere kollektive Moral sagt uns, dass wir selbstbestimmt sein wollen und das auch im Recht fixieren. Die Pflicht daraus negieren wir wortreich.

Systeme sind wie Zwangsjacken – oder besser: Häute, die sich nicht ablegen lassen.

Fake News

Erstmals dürfte so etwas wie ein ‚Science March‘ stattfinden. Dort wollen Wissenschaftler die Menschen daran erinnern, dass man der Wahrheit ‚glauben‘ sollte. Denn die sog. Fakten sind in einen grundsätzlichen Interpretationsvorbehalt geraten: jeder hat die Freiheit, Ihnen zu vertrauen oder es auch zu lassen.

Die Wissenschaftler selbst mogeln dabei ein wenig: denn Ihre Wissenschaft ist nichts anderes, als mittels empirischer Evidenz eine Forschungsmeinung zu erfinden und zu formulieren.

Für die Geschichtswissenschaft ist die Interpretation gar konstitutiv. Denn niemals ändert sich der frühere Verlauf der Dinge, aber die Deutung ständig. So sagt die Geschichts’schreibung‘ mehr über die Zeit des Autos als über sein Objekt der wissenschaftlichen Betrachtung aus. Beispiel gebend dafür ist der sog. Historismus.

Und auch in der Philosophie muss man sich fragen, ob denn in dieser Disziplin überhaupt Fakten existieren / können. Denn ist Philosophie nicht gerade die Wissenschaft der Einordnung, Einschätzung, Deutung und Interpretation?

Schlimmer noch ist die Juristerei, die zwar den Anspruch erhebt, eine Rechtswissenschaft zu sein. Doch in der Praxis ist sie eben eine Judikative, die neben vermeintlich objektives Recht subjektives Richterrecht stellt. Sie verteidigt die Rechtsprechung auch noch mit der notwendigen Fortentwicklung und Anpassung des Rechts.

Man könnte sich auch radikal fragen, was Fakten sind. Meine These wäre, dass Fakten beweisbar sind und keinen plausiblen Widerspruch erlauben. Doch was heißt das schon? Kann man nicht auch vor dieser Schallmauer noch argumentieren?

Komisch ist: jeder Mensch macht das doch schon selbst! Alles, was er erlebt, wird in seine Konstruktion der Welt gepasst. Denn für jeden sieht die Welt nicht nur anders aus, sondern ist eben auch anders gestaltet: sie fühlt sich anders an, sie riecht anders, sie hat andere Regeln usw.

Und dennoch: es gibt Regeln, die uns allen ähnlich, wenn nicht gleichermaßen verpflichtend sind. Sie sind in den ehernen moralischen Statuten, wie den 10 Geboten niedergeschrieben. Wir können uns vermutlich darf einigen.

Ich kann mich an ein Gespräch mit einem Briten in meinen 20igern erinnern. Er meinte mir gegenüber, dass die Hauptsache sei, Kinder könnten zwischen richtig und falsch unterscheiden. Und das vor dem Hintergrund meiner Frage, wieso Engländer ständig anti-deutsche Kriegsfilme anschauen und genießen würden.

Doch auch die 10 Gebote sind nicht ’sakrosankt‘: so ist das Gebot ‚Du sollst nicht stehlen‘ unsinnig, da wir alle kleine Lügen begehen. Ähnlich verhält es sich mit der Regel, nicht des anderen Weibes zu begehren. Denn das ist regelhaft nicht unter Kontrolle der Menschen.

Gibt es also News, die fehlerfrei und interpretationslos sind? Die finden sich, soweit man nicht den Mittler anzweifelt. Beispiele dafür sind die Mondlandung oder der Holocaust. Es gibt Menschen, die dieses Geschehen negieren.

Blickt man auf die Entstehung von News in den Massenmedien, so könnte man tatsächlich zweifeln, dass dadurch Fakten vermittelt werden. Denn ’stories‘ oder ‚Geschichten‘ stehen im Mittelpunkt, um Nachrichten eingängiger zu machen. Sie werden konstruiert, um eingängig zu sein.

Und trotz dieser Phalanx von Zweifeln tun Wissenschaftler Recht daran, eine solche Demonstration zu machen. Sei es auch, weil sie ihre Stellen legitimieren müssen. Sei es, weil sie genervt sind.

Doch ist ihre gesellschaftliche Rolle enorm. Denn wir verdanken dieser Wissenschaft das jetzige Gesicht unserer Gesellschaft. Man kann über die Kommerzialität von Pharmakonzernen schimpfen. Erkrankt man ernsthaft, sieht man, was Wissenschaft leistet. Der Mensch bewegt sich um die Erdkugel – ohne Wissenschaft undenkbar. Das bloße Überleben so vieler Menschen auf der Erde, auf der wir immer dicht gedrängter leben, ist ohne wissenschaftliche Arbeit bei Lebensmitteln nicht denkbar. Unsere vermeintlichen Selbstverständlichkeiten basieren auf der Intelligenz, dem Einsatz, den Opfern und dem fachlichen Streit von Wissenschaftlern. Auch wenn uns ’normalen‘ Menschen Wissenschaftler dröge oder besserwisserisch erscheinen, sie sind enorm wichtig. Und Ihre wissenschaftliche Wahrheit ist nun einmal nicht wegzuglauben und wegzudiskutieren.

Etwas ‚los’werden

Wie befreiend es sein kann, sich einfach einmal auszukotzen! Wenn einem etwas auf der Seele brennt, dann sollte man es außen lodern lassen. Sonst verbrennt man sich im Inneren.

Kindern kann man mit Gesten zeigen, dass sich die bösen Gedanken wieder abstreifen lassen. Man nimmt dann ihre Hände und tut genau das, was man sagt: man fährt mit der Handinnenfläche über eines ihrer Körperteile und sagt, die Gefahr sei nun weg. Und so gehen sie erleichtert dahin.

Die Idee des leer Redens ist ein gutes Mittel, sich störender und hässlicher Gedanken zu entledigen. Gerade Menschen, die nicht nur zum Grübeln neigen, sondern wie einer Sucht verfallen sind, können hiervon profitieren.

Das Führen eines Tagebuchs ähnelt dem leer Reden, nur ist es eben schriftlich, alles niederzuschreiben. Somit können negative Empfindungen den Körper verlassen. Schlägt man den Deckel zu, so ist das schädliche Moment weg gesperrt.

Auch Aufstellungen durch einen Psychologen enden damit, dass man aus der Rolle wieder austritt. Man schleicht aus der psychologischen Konstellation, das sich gerade erst geformt hatte.

Wo sind die Grenzen dieses Vorgangs? Man kann sich tatsächlich ent’last’en, indem man eine Last verbalisiert. Das ist möglich, soweit man diese Entlastung benötigt, um wieder eine neue Perspektive einzunehmen. So kann der Gefangene aus der Zelle, um zu sehen, dass es sich lohnt, auf die Freilassung zu warten.

Es müsste einmal wieder einen Krieg geben

Gelegentlich, wohl eher selten steckt man mitten in einem Road Movie, wenn man auf Reisen auf Menschen trifft, die man niemals in seinem sozialen Milieu getroffen hätte.

So erging es mir jüngst, als ich auf einer Reise nach Brüssel einen jüngeren Dänen traf, der ob seiner offensichtlichen Nervosität und Unkenntnis der französischen Sprache den Stillstand auf der Fahrt nicht verstand. Der Zug war wegen einer Entgleisung vor uns zum Stillstand gekommen. Und wir standen.

Der Däne erzählte mir, dass er auf dem Weg zu einem Kongress sei. Er würde nicht fliegen, da er panische Angstschübe erlebe. Seine Söhne lachten ihn schon aus. Und es sei ein echtes Handicap, da er schließlich für ein US-Unternehmen tätig sei.

Rasch wechselten wir zum Ereignis des Tages, den Parlamentswahlen in den Niederlanden. Dort machte man sich – wie im Rest Europas – Sorgen um einen möglichen Wahlerfolg des Rechtspopulisten Wilders. So versuchten wir, in einer Stakkato-Analyse zu erklären, was wohl Wähler bewege, für diesen Mann zu votieren.

Der Däne formulierte die These, dass es wohl zu ’normal‘ geworden wäre, sich auf die Selbstverständlichkeit einer funktionierenden Gesellschaft verlassen zu können. Dagegen zu sein, sei schick. Man habe sich daran gewöhnt, gut versorgt zu sein mit Nahrung, mit ärztlicher Versorgung, mit Altersversorgung usw. Alle wichtigen Bedürfnisse seien erfüllt. Also müsse man sich auch darüber keine Gedanken mehr machen.

Auch von Seiten einiger Ver-rückter wie dem Trump-Berater Bannon gibt es Äußerungen, die für einen Krieg werben. Seine Rationale könnte ähnlich sein.

Vorstellen lässt sich, dass alle Unterschiede der Hautfarbe und der Herkunft verschwinden, wenn man um das nackte Überleben kämpfen muss. Denn dann fokussiert sich der Mensch auf das Wesentliche. Der Mensch würde dann wohl auch mit Grenzländern kooperieren, mit den eigenen Landsleuten konkurrieren und sich wohl kaum mit militärischen Verlierern identifizieren wollen.

Ich persönlich habe nur eine unmittelbare Nachkriegszeit in Ex-Jugoslawien gesehen. Die Menschen, die Krieg erlebt haben, wollten Rache, ihre eigene Form von Gerechtigkeit. Viele wollten wieder zurück in ihre Häuser. Der Krieg hatte den Hass auf andere eher noch zementiert.

Vergleicht man den Zustand von vor und nach dem Krieg, so ist der Friede das Ideal. Was nur, wenn das Ideal leidet?

Erfolg

Ist Erfolg immer das Handeln des Einzelnen? Gerne schreibt man sich das zu. Bei Misserfolg sind es jedoch die Umstände, die den Erfolg unmöglich machten.

Es ist so wie beim Fußball: wenn kleine Aktionen misslungen oder das Spiel verloren geht, dann war es der Rasen, das Wetter, der Schiedsrichter, der Ball, die Kulisse oder irgendetwas anderes.

Eine andere Metapher ist auch interessant: ein Aufstand – mit oder ohne Gewalt – ist eine Rebellion, wenn er nicht zum Erfolg führt. Setzt sich der Aufstand durch, so handelt es sich um eine Revolution.

Was heißt das nun: dass man sich seines Erfolges nie sicher sein kann, dürfte uns allen klar sein. Dass wir davon ausgehen können, das mit Schritten 1, 2 und 3 die Folgen x, y und z eintreten. Doch treffen Menschen – jenseits der exakten Umwelten von Naturwissenschaft oder Mathematik – aufeinander, verliert sich diese Gewissheit. Eine Kausalität ist in sozialen Interaktionen, zumal komplexen Situationen niemals zu erwarten. Folgen sozialen Handelns sind immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden.

Und dennoch gibt es diejenigen, denen die Ergebnisse Recht geben, eine quasi-Kausalität existiert. Das kann man beispielsweise bei erfolgreichen Fußballtrainern sagen. Es gibt solche, die tatsächlich über Jahre und Jahrzehnte Siegesserien schaffen. Und auch erfolgreiche Unternehmer sind solche, die in verschiedenen Positionen immer wieder Erfolge feiern.

Mir scheint der Erfolg an sich immer nur eine Chance, eine berechtigte Erwartung, eine Hoffnung zu sein. Wir sollten uns nicht damit täuschen, Recht zu behalten. Wir sollten nicht enttäuscht sein, wenn etwas nicht gelingt.