Im Alter stellen sich andere Werte ein. Denn die Marge für eigene Entwicklungen schwindet. Auch die körperliche Energie lässt nach.
Wer kennt nicht das milde Lächeln des Großvaters, der Bubereien einfach nicht mehr schelten will? Wer kennt nicht das Gesicht der älteren Kollegin, die schmunzelnd beobachtet statt einen thematischen Beitrag zu liefern? Und wer kennt nicht das ungläubige Beobachten von Senioren, wenn Kinder laut herumtollen?
Vermutlich richten wir unsere Aufmerksamkeit auch im Alter auf die Zukunft – nur anders. Man erhofft sich einen würdevollen Abgang; nicht alleine zu bleiben; oder keine Schmerzen zu haben. Vielleicht will man auch noch etwas klären, was im Leben liegen geblieben ist.
Man hat als älterer Mensch auch kein Problem, seine Gedanken zu äußern: „früher hätte mich das noch aufgeregt. Aber heute betrachte ich das nicht als wichtig.“ „Wissen Sie, ich bleibe lieber hier bei mir im Sessel; gehen Sie ruhig zu Ihrer Veranstaltung.“
Kaum ein Film, selten ein Buch haben Alte zum Gegenstand, niemals zum Helden gemacht. Es gibt da sicherlich Harald & Maude, Hallervorden als revitalisierter Marathon-Mann. Alternde Schauspieler übernehmen die ihnen von jüngeren Drehbuchautoren zugeschriebenen Rollen als Menschen mit Kraft; als Philosophen des Alltags; als Opfer der mangelnden gesellschaftlichen Anerkennung. Auch Leidensgeschichten wie zu Alzheimer sind darunter. Es dominiert das ‚noch‘ oder ‚nicht mehr‘. Es sind stets verzerrte Interpretationen, die nicht den ‚normalen‘ Zustand des Alterns einfachen können, sondern irgendetwas Filmreifes daraus machen wollen.
Interessant aber ist beispielsweise der Vater des schwedischen Kriminalkommissars Wallander. Auch ‚Liebe’ des österreichischen Regisseurs Harneke. Denn dort werden die Älteren nicht gewertet oder interpretiert. Der Zuschauer beobachtet nur, welche Irrungen erfolgen, wenn die definierten Rollen verschwinden.
Eine Gefahr von Schablonen ist bei der Darstellung von Altern also immer gegeben. Wenn Kunst den Zustand, alt zu sein, nicht mit Geschichten malt, dann bleibt er den Jüngeren weitgehend verschlossen. Denn ältere Menschen können nicht nach erzählen (was man gemeinhin tut) – dann sind sie schon nicht mehr. Und selbst auf Augenhöhe würde der Dialog möglicherweise nicht ausreichen, die Differenziertheit darzustellen.
Wie also Altern verstehen, wenn man nicht selbst altert? Schwierig! Denn zu häufig fordern wir intuitiv, man solle sich zusammennehmen. Oder aber es kommt einem das Totschlagargument über die Lippen, es würde schon besser werden. Das jedoch muss dem Zuhörer wie ein Witz vorkommen. Zudem ist der ältere Mensch ja nicht mehr ein Kind, das mit dumpfen Argumenten beruhigt werden will. Zwar lässt die Stärke von Denken und Physis nach. Doch ist das Bewusstsein des Erwachsenen ja weiterhin vorhanden.
Und schließlich gleitet die Unlust, über das Ende nachzudenken, in die Gewissheit, dass in unmittelbarer Nähe der Tod winkt. Das muss ängstigen, zumindest verunsichern. Befreit dieses Wissen den Menschen von den Fesseln eingeschränkten Denkens? Kann man vielleicht so neue Erkenntnisse gewinnen, wenn die Bewährung im Alltag unwichtig geworden ist?
Ich habe den Eindruck, dass die Natur tatsächlich das Leben wie den Tag eingerichtet hat. Mit dem Sonnenaufgang verspürt man Kraft und es verlangt nach Aktivität. Am Abend aber stellt sich die Müdigkeit ein, mit der man sich verabschiedet. Denken und Fühlen stellen sich ganz auf das Schließen der Augen ein. Man verantwortet dem Schlaf sein Schicksal.