Kürzlich, also eigentlich vor ein paar Wochen stand ich in einem Zug zum Flughafen auf, um den Waggon zu verlassen. Wie es so ist, blickt man gelangweilt umher in der Erwartung, dass sich endlich die Tür öffnen würde.
Mein Blick fiel auf eine Frau in etwa 20 m Entfernung. Ich konnte sie wegen meiner neuen Gleitsichtbrille nicht angemessen fixieren. Doch sie hatte Ähnlichkeit mit: Amanda. Sie ist eine Engländerin, der ich während eines längeren Praktikums begegnet bin.
Ich musterte also, so gut ich konnte, ob das Amanda ist. Die Frau schaute auch sehr interessiert in meine Richtung. Ich wusste aber nicht, ob sie mich fixierte oder vielleicht einen grünen Fleck an der Wand neben mir.
Jedenfalls versuchte ich zu verifizieren, ob das Gesicht mit meiner Erinnerung übereinstimmt. Fraglos hatte das Gesicht dieselben großen dunklen Augen, eine schlanke Form und das leicht spitze Kinn, das jedoch nie zu lang aussah. Da diese Frau dort jedenfalls sich beim Blicken umdrehte, war der Kopf die einzig mir verbleibende Vergleichsfläche.
An sich bin ich ein sehr guter Erinnerer, was Gesichter anbelangt. Von meinem Vater insbesondere habe ich dies mit bekommen. Denn der Blick auf Muster aller Art hat er bei Spielen mit meinem Bruder und mir ausgebildet. Am Ende schloss ich mit 50 : 50, dass es tatsächlich Amanda oder eben nicht war.
In der Situation hätte ich das eigentlich leicht verifizieren können. Denn mein Flug war ohnehin verspätet. Doch trieb es mich, eben das nicht zu tun. Vielleicht erwartete ich, dass diese Frau dasselbe tun würde. Oder ich wollte mir sowohl die Enttäuschung als auch das typische Gespräch nach einer langen Zeit ersparen. Vielleicht verschob ich das auch, weil ich mir dachte, sie könne mich finden, wenn ihr daran läge. Schließlich sollte klar sein, wohin ich mit dem Flugzeug aufbrechen würde.
Gut, die Chance ist vorüber. Ich mag diese Zusammentreffen einfach nicht, in denen man unmittelbar zum Erzählen der Biographie und der Bewertungen (wie: mein Leben läuft gut; Du siehst aber ‚noch‘ gut aus) gezwungen wird. Dem habe ich meine Neugierde untergeordnet. Vielleicht ist das schon das Alter, nicht mehr jedem und allem nachgehen zu müssen, sondern sonderbare Unklarheiten zu belassen.
Möglicherweise scheute ich aber auch in einer Stimmung, meine Reise einfach nur hinter mich zu bringen, ein nettes Gespräch, was einmalig bleiben würde.
Oder aber: eine Fata Morgana gibt es nicht nur in der Wüste.