Zwei Kolleginnen verbindet eine Sicht auf die Welt, die radikal ist: „die alten Männer machen alles kaputt!“ Sie stören vor allem den Fortschritt; sie halten nur an Altem fest; sie zementieren nur ihre Macht; sie lassen niemanden anderen ran; sie sind alles andere als kreativ. Sie sind Welt-fremd und müssen weg!
Als Gegenüber muss man sich fragen, ob diese Radikalität zu beschmunzeln oder gar zu unterstützen ist. Man weiß auch nicht, ob man andere soziologische Konzepte wie die der gläsernen Decke, der Monopolisierung durch liberale Eliten oder der Kooperation der seines gleichen anführen sollte, das den alten Mann als Mensch aus der Schusslinie nimmt.
Es handelt sich fraglos um eine Struktur: die männlichen Alten haben die Macht. Sie repräsentieren nicht die Breite der Gesellschaft. Das ist in modernen Gesellschaften so, sehr viel stärker noch in traditionellen Gesellschaften.
Auch in der Evolution war das wohl mehrheitlich die Regel. Selten konzentrierte sich die Macht bei jungen Frauen. Für das Überleben der Gruppe war das wohl auch gut so, um eben nicht die zu gefährden, die biologisch den Nachwuchs garantierten.
Ob der Angriff dem System oder den handelnden Personen gilt, ist für den Agitator nicht wichtig, für den Adressierten sehr wohl: denn wie soll er mit dem Vorwurf persönlich umgehen? Soll er sich beschimpft und herausgefordert fühlen – oder es eher das Abstraktum, die soziale Gruppe der alten Männer schieben?
Interessant ist aber auch die Perspektive der weiblichen Klägerin, die ihre Analyse von begründen muss: denn da ist eine Gruppe, die die Fäden in der Hand hält. Und die ist männlich. Also sind die Personen auch schuld, verantwortlich. Es ist rechtmäßig, sie zu attackieren: Ihr Idiotien, tretet endlich ab!
Alle politisch wirksamen Gruppen sind so vorgegangen, ob die Studenten der 1968er, die Bolschewiki oder die Jungtürken. Man muss die angehen, die im Wege stehen, wenn sie auch als Einzelperson ok sind. Es gilt ihr Status, ihre Funktion und ihr Mandat, nicht ihre Persönlichkeit.
Dieses politische Vorgehen allerdings versaut jegliches persönliche Verhältnis. Einigen sich die Angreifer und der Angegriffene nicht auf den politischen oder persönlichen Korridor, ist ein Missverständnis unausweichlich.