Weinen

Marie Bäumer hat in einem Interview berichtet, man könne täglich nicht mehr als 20 Minuten weinen. Das gebe der Körper nicht her. Danach sei er völlig erschöpft. Bäumer ist die Hauptdarstellerin in dem Film ‚3 Tage in Quiberon’. Sie verkörpert Romy Schneider in ihrem letzen großen Interview. Durch die wohl vertraute Beziehung zu den Journalisten gab sie ihr Inneres preis. Und darüber vergoss sie viele Tränen.

Sollte dies stimmen, dann dürfte das Weinen als Merkmal für sich untauglich sein, als Symbol für Traurigkeit zu gelten. Denn Menschen weinen nicht ständig und sind dennoch traurig. Vielleicht ist der Zustand, nicht mehr weinen zu können, ohnehin der bitterste und tiefste Punkt der emotional möglichen Kurve.

Sind Tränen ein Synonym für Freude, so fließen die auch nicht für immer. Denn das Weinen der Mutter der Braut hat auch wieder ein Ende, wenn es gilt, die Gäste angemessen an die Hochzeitstafel zu setzen.

Es ist wohl wie mit Glücksempfinden. Auch das lässt sich nicht permanent gestalten. Die Glücksforschung sagt, dass solche Momente zeitweilig und wohl eher seltene Zustände sind, die sich zudem schwerlich willentlich herbeiführen lassen.

Weinen ist nur ein emotionales Extrem: man wird vom Körper wieder automatisch zur Mitte seines emotionalen Haushalts zurückgeführt, ja geschubst. Darauf sollte man sich verlassen.

Zudem: das Weinen ist wie ein Ventil und eine Reinigung. Denn es ist wie ein Überschuss an negativer Kraft, das sich seinen Weg aus dem Körper bahnt. Man kann es wohl gut vergleichen mit den Erbrechen desjenigen, was innerhalb des Körpers nicht verdaut werden kann.

Zum Weinen gehört auch das Gefühl nach dem Weinen: es kehrt Ruhe und Entspannung ein! Rang man in einem Moment noch mit der berstenden und unbeherrschbaren Kraft in seinem Innern, so ist das Danach wie ein stiller See nach dem Sturm. Im Kern ist der Moment nach dem Weinen der Gegenpol, also Ruhe, Entspannung und Erschöpfung. Plötzlich entlässt der Körper den Geist in überraschte Gedankenlosigkeit und das Fernbleiben von jeglichem Gefühl.

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