Unter dem Schlüsselwort Generationswechsel verbirgt sich in Unternehmen, in öffentlichen Einrichtungen, in Kulturvereinen und in allen möglichen anderen Institutionen der versteckte Rausschmiss der vormaligen Verantwortlichen. Nur wenn er oder sie selbst das Heft in der Hand haben, gibt es wohl einen geordneten Übergang in Würde. Das erfolgt mit Feierlichkeiten und klarem Zeitplan. Damit ist auch so etwas wie eine ‚Erbfolge‘ gesichert: der eine übergibt dem anderen die Geschäfte.
Dieser Übergang scheint mir immer seltener zu greifen. Alleine der Blick auf die Zahlen der Betriebsübergaben verrät, dass das Modell ausstirbt. Denn zwischenzeitlich gibt es schon Börsen, die Geschäftsführer vermitteln.
Das Ausscheiden Älterer aus ihren Positionen und ihrer Verantwortung wird von den umstehenden meist innerlich gefeiert, da für viele offenbare Nachteile verschwinden. Denn je länger man die Zeit mit einem Menschen zusammen ist, desto mehr und klarer offenbaren sich dessen Macken. Und die sind im emotionalen Erleben von höherem Gewicht als die Konsense und Unauffälligkeiten. Vielleicht streben sie aber auch nur nach einem ‚anders‘: endlich einmal etwas Neues!
In Zuge der Altersdiversität kommt es jedoch zu seltsamen Umkehrungen der natürlichen Ordnung: die Jüngeren führen die Älteren. Das stellt unsere Erfahrungen weitgehend auf den Kopf. Denn in der Geschichte galt so gut wie immer die Ehrwürde des Alters. Auch auf dem Arbeitsmarkt galt lange konsequent das Prinzip der Seniorität, das zwar eher die Bezahlung der Arbeit von Älteren meint, womit aber auch Status einhergeht.
Ältere werden in der flexiblen Arbeitswelt also immer häufiger auch zum Opfer: denn das alte Denken gilt nicht mehr, d.h. sie in Ruhe zu lassen und ihnen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Vielmehr misst man sie mit den Leistungsstärksten der Jüngeren: man bewertet sie damit, ob sie Innovationen schaffen und unterstützen (am Beispiel des Einsatzes von IT-Prozessen besonders); ob sie bis spät in die Nacht arbeiten können; ob sie ihre Erkrankungen überspielen können; und ob sie hohe Renditen erwirtschaften.
Es kehrt sich also um, was uns die Anthropologie mitgegeben hat: achte das Alter. Es wird viel Schmerz und Unsicherheit dadurch verursacht. Zudem wird für die Jüngeren ein neuer Sündenbock präsentiert und ein Stigma geschaffen, indem der zynische Schlachtruf salonfähig wird: „ja ja, früher war alles besser.“
Und so vollzieht sich ein normaler Generationswechsel wie in der Vergangenheit auch: die Älteren treten ab – und werden durch die Jungen wilden erstezt. Doch war dieser Prozess nie so verwirbelt wie dieser Tage, in denen Jungmilliardäre Privatiers werden, Ruheständler jenseits der 65 Jahre arbeiten müssen, in denen Sinnkrisen just in den Jahren für Sabbaticals genutzt, wenn der Höhepunkt an Leistungsfähigkeit erreicht ist. Es heißt, das Experiment verträglich und gewinnbringend zu begleiten. Ob das gelingt, ist eine offene Frage.