Beim Laufen passiert es mir nicht nur gelegentlich, dass Passanten Faxen machen. Das können sehr unterschiedliche Formen sein, wie ein erheiternd-zynisches Nachrufen oder ein missgläubiges Schauen. Kleine Kinder rennen dann gerne ein paar Meter mit. Jugendliche dagegen kommentieren eher höhnisch und versperren mir etwas den Weg.
Noch intuitiver und Reflex-hafter sind lautes Lachen, Schreien oder andere Geräusche just im Moment des Vorbeilaufens. Man erschrickt dann, da dies unerwartet und ohne Anlass die Konzentration und Laufrhythmus stört.
Kürzlich streckte mir ein Fahrradfahrer einfach so die Zunge heraus. Am Tag einer angekündigten Großdemonstration in Berlin, den 27.05.2018, lief ich wieder meine Strecke. Da ich an Vitamin D-Mangel leide (wie 80 % der Mitteleuropäer) zog ich mein Laufshirt aus. Ein mit Bierflasche bewaffneter Obdachloser sah mich. Aus ihm heraus quoll: „Geile Brust, ey Alter, Atze!“
Diese Beobachtungen aus mehreren Jahren erzwingen in mir geradezu die Frage nach dem Warum. Wieso neigt der Mensch dazu, auf einen Läufer im alltäglichen Umfeld zu reagieren? Denn den Fußgänger lässt der Läufer auch schließlich auch links oder rechts liegen.
Gibt es so etwas wie ein Gefühl, das sich unter den Menschen breit macht? Nämlich dass da eine/r sich darstellt und die anderen vorführt? Ist es das schlechte Gefühl, es selbst nicht zu können? Ist es ein Gefühl, dass jemand Wettbewerb provoziert, ohne daran teilhaben zu können? Geht es darum, dass man nur in einer Sportstätte laufen sollte? Was nur?
Ich könnte die Selbstprobe machen: aber das ist unsinnig, da ich ja Läufer bin. Ich habe einen prüfenden und anerkennenden Blick: dass jemand läuft; dass er einen schönen Stil hat; dass er sich überhaupt bewegt; … Auch wenn ich das nicht täte, so habe ich nichts gewonnen.
Als Läufer bin ich geneigt, meine Anti-Häme zu zeigen. Am liebsten würde ich den ‚Störern‘ die Zunge herausstrecken. Doch bin ich dazu wohl stets zu erschöpft.