Karrierezwang

In einem aktuellen Film sah ich eine Szene, in der eine junge talentierte Frau gefragt wird, wieso sie Karriere machen will. Sie antwortet: „ich weiß es eigentlich nicht. Ich brauche es einfach.“

Ich habe mich immer gefragt, wann Vorgesetzte und andere Entscheider einen Karriereschritt unterstützen. Es gibt wohl viele intuitive, alltagsverpflichtete und persönliche Gründe: da rekrutiert man seinesgleichen; da glaubt man entscheidende Talente zu entdecken; da wirkt Sympathie, da man mit einer Person gut kann; da wird man von Höflichkeit und Aussehen verführt usw.

Rationalität entfaltet jedoch nur ein belastbares Profil von Führungskräften, das zur Kultur des Unternehmens sowie zu seiner strategischen Ausrichtung passt. Ewige und universale Führungskompetenzen gibt es nicht, Profile variieren. Sie können eben nicht überall die gleichen sein. Das erkennt man schon alleine bei der Unterscheidung von Positionen eines Generals in der Armee und dem Spielführer einer Sportmannschaft. Sie müssen Unterschiedliches mitbringen.

In größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst gibt es immerhin so etwas wie eine theoretische wie praktische Fundierung mittels Beurteilungssystemen und Kennzahlen. Dort sind auch Führungskräfteprofile in Übung. Für wohl 90 % der Betriebe ist das wohl nur eine bloße Illusion.

Zurück zu den Anwärtern: wieso eigentlich will man Aufstieg, Karriere, Laufbahn und Führung? Was treibt Menschen dazu, mehr Arbeit und Stress auf sich zu nehmen? Welcher Mehrwert ist für sie damit persönlich verbunden?

Ich kenne einige Personen, die immer klar gemacht haben, dass sie Chefs werden wollen. Sie ziehen daraus ganz offensichtlich eine persönliche Befriedigung. Vermutlich würden sie auch in Tests entdeckt, dass ihre Motive sie dazu treiben.

Wir lehnen uns zufrieden zurück, wenn wir von Menschenbildern wie dem homo sapiens oder dem homo oeconomicus hören. Es muss sie wohl geben, die so sind. Sie machen eben einen bestimmten Anteil der Menschheit aus. Auch in einer Gruppe verteilen sich üblicherweise die Rollen, immer auch mit einem Anführer.

Doch was ist das Grundmotiv? Ist es Gestaltung, Selbstwirksamkeit, Macht, Lust zu Bedeutung, Risiko, Streben nach Status und was sonst noch in Frage kommt. Vielleicht verbergen sich aber auch Sätze dahinter wie: ich will einfach etwas tun; ich glaube, ich kann das; ich möchte wirksam sein; ich will mit meinem Leben etwas anfangen.

Was passiert denn eigentlich bei diesen Menschen in ihrem privaten Umfeld? Sind sie dann anders? Oder wollen sie dort ebenso Bestimmer sein? Mein Erfahrungsumfeld sagt, dass solche Menschen nicht unterscheiden können. Wieso auch? Sollte man einen Unterschied zwischen privatem und persönlichem Umfeld machen (können)?

Ein Grundantrieb dürfte sein zu gestalten. Es dürfte auch das Gespür für Energie sein. Sicherlich gehört auch Neugierde dazu, um etwas zu erkunden, was man nicht kennt. Weiter ist es wohl Experimentierfreude. Schließlich dürfte auch Lust am Wettbewerb hinzukommen.

Eine andere Seite könnte die Gier nach Aufmerksamkeit sein, das Sonnen im Staunen seiner Mitmenschen, die Sucht, nicht alleine sein zu können und sich in der Beobachtung anderer zu spiegeln. Weiter geht Führung auch damit einher, über andere Menschen zu bestimmen. Führung ist dabei komplex, da sich dahinter Erziehung, Fürsorge, Unterdrückung, Manipulation und Ausnützen die Waage halten können.

Es gibt die berühmte Bedürfnispyramide von Maslow. Dort scheint mir der Zwang des Menschen nicht ausreichend scharf repräsentiert, seine innere Energie für ein Ziel – gleich welchen Inhalts – einzusetzen. Davon Betroffene können nicht anders. Der Glaube an die eigene Führungsqualität kann eine Sucht sein. Dass es eine Erkrankungsfalle, glaube ich nicht.

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