Also muss ich mit Dir – der Du mir da begegnest – nicht im Reinen sein. Denn meine Leitschnur ist eine andere. Es ist ohnehin wichtiger, wenn ich mich nicht mit ständigen Kontroversen zum Grübeln zurückziehen muss.
Kanzlerin Merkel hat dies nach der Flüchtlingskrise gesagt. Damit gab sie der deutschen Öffentlichkeit kund, dass sie trotz dieses Rucks der Öffentlichkeit nach rechts weiterhin derselben Überzeugung ist wie zuvor.
Was wäre, wenn wir alle eine solche Haltung hätten? Wie sehe die Gesellschaft aus, wie Familie oder Schulklassen? Wäre dann nicht das ‚basta‘ in uns allen programmiert? Wann also darf man sozial verträglich sagen, dass ‚ich bin mit mir im Reinen‘ ok ist?
Der Kuchen an seelischer Reinigkeit ist und bleibt begrenzt. Denn eine umfängliche Reinigkeit aller und jeder verbietet sich schon logisch. Es ist wie der Konflikt zwischen Gleichheit und Freiheit.
Dennoch gibt es Konflikte im Inneren eines Menschen, die ein Maß annehmen können, das schwer erträglich ist. Was bedeutet dann, mit sich im Reinen zu sein? Habe ich die Konflikte dann gelöst oder sie einfach für beendet erklärt? Es klingt nämlich so, als ob man seine Überzeugung unter Abwägung aller Widersprüche gefunden habe.
Auch wenn sich dieser Zustand nicht erreichen lassen sollte, so ist schon alleine die Vorstellung davon ein Fortschritt. Denn das Gefühl frei von Konflikten zu sein, ja rein – ist wie das Gefühl, gewärmt und gewaschen aus der Badewanne zu steigen. Noch besser ist es, sich vorzunehmen, genau diesen Zustand anzustreben, also eines Tages dahin zu gelangen, mit sich im Reinen zu sein.