Dem Lächeln der Zähne erlegen

Kürzlich traf ich eine jüngere Frau, die dieses Lächeln hatte, was wir entwaffnend nennen würden. Wieso das ‚entwaffnend’ heißt, würde ich auch gerne wissen.

Kleine Kinder haben das auch. Auch wenn sie etwas ‚angestellt‘ haben, ist eine Maßregelung schon aufgrund des Lachens unmöglich. Es ist aber auch sinnlos, da die Reife nicht vorhanden ist. Dazu kommt dieses Glucksen, das uns alle innerlich erfreut.

Ich las einst, dass Lächeln und damit die Erzeugung von Sympathie abhängig ist von der Zahnreihe ist: die Schneidezähne lang, die Nachbarzähne kurz. Vielleicht weist das ja auf eine Zeit, also wir uns vor markigen Eckzähnen fürchten mussten.

Andererseits sah ich ein Poster von Helene Fischer, auf dem ihre fiesen Eckzähne durch den Photoshop noch gestärkt wurden. Das sah eher aus wie ein Engels gleicher Vampir. Es störte!

Kann es tatsächlich sein, dass ein Muster so durchdringt, dass unser Werturteil dadurch beeinflusst wird? Ich glaube ja: denn die Glaubwürdigkeit des Gegenübers wird in hohem Maße dadurch bestimmt, ob sie oder er in unsere schematisches Muster passt, das wir jedem auferlegen.

Man sollte den Test machen, indem man sich selbst im Jetzt überprüft; aber auch die Menschen an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lässt, mit denen man Umgang hatte. Die harte Frage ist: welchen Einfluss spielt die Zahnreihe?

Dazu fällt mir ein, dass es kaum Stars gibt, die seltsame Zähne haben. Da ist Jürgen Vogel; dort ist Vanessa Paradis; dann gibt es Politiker, die nicht mehr lachen, wie Wolfgang Schäuble; oder Wolfgang Neuss, der keine Zähne mehr hatte.

Ich erinnere mich an eine Szene in einem Buch von John Irving, in dem er eine Szene beschreibt, wie er als Junge von einer älteren Frau zu einem Zungenkuss genötigt wird, die keine Zähne hat.

Andererseits ist die Makellosigkeit einer Zahnreihe auf den Titelbildern von TV-Magazinen seltsam: sie sind immer perfekt – also ohne jegliche Anomalie; mathematisch symmetrisch; vollständig geformt; blanchiert.

Überhaupt scheint sich das Zeigen der Zähne vom Tierreich entfernt zu haben: dort ist Fletschen Bedrohung und Warnung zugleich; bei Menschen ist es wohl eher eine Einladung. Wir essen einander schließlich nicht.

Zähne sind aber auch Status des Wohlstands. Jürgen Klopp beispielsweise hat blanchierte Zähne.

Tatsächlich sind Zähne bei der Bewertung von Menschen, die man neu trifft, völlig unterbewertet. Auch wenn man sie nicht nachzeichnen kann, spielen sie wohl doch unterhalb rationalen Funktionierens eine bedeutsame Rolle.

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