Spaß am Denken

Kürzlich las ich in einem Interview mit Edgar Selge, dass er mit der Tochter von Martin Walser 40 Jahre verheiratet sei. Er wurde gefragt, wie er den Kontakt empfinde – und formulierte dann folgenden eindrücklichen Satz: „er verfügt über eine ungeheure Attraktivität des Denkens und Fühlens, und man muss aufpassen, dass man nicht selbst ganz verschwindet.“

Ich kenne eine Reihe von Menschen, die es sich in ihrer beruflichen Position bequem gemacht haben – und ihren Werdegang ‚aus‘sitzen. Sie haben alles andere als Lust an gedanklichen Herausforderungen – mit der Ausnahme ihres Hobbies, dessen Fixierung sie eben auch ausmacht. Sie interessiert nichts weiter, winken mit den Armen ab, wenden sich körperlich weg und kommentieren genervt irgendwelche Diskussionen oder schweigen über die ein oder andere Problematik.

Körperlich entspricht das dem Menschen, der mit zunehmender Alterung wahrscheinlich schon in Erwartung von Gebrechlichkeit körperliche Langsamkeit zelebriert: sich ächzend in einen Stuhl fallen lässt; sich demonstrativ erholt; seine Erholung mit einem Ächzen verstärkt.

Dagegen gibt es auch Analysten, die nichts anderes tun als wahllose Informationen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Das ist gedankliches Spielen. Ich habe die Ahnung, dass dies zum Menschsein gehört. Denn wir lieben die Eroberung, die Beherrschung, die Zielerreichung, das Meistern kaum weniger als das Glück an sich.

Geschichten sind so eine Herausforderung light: denn wir lassen uns durch einen Komplex führen und gelangen so zu einem Ergebnis, das einen Weg mit einem Resultat abschließt. Es ist wie ein Krimi oder ein Roman. Auch Witze sind wie kleine Geschichten: denn sie enden mit einer Überraschung. Schon als Kinder lieben wir Menschen Geschichten. Sie führen uns ins Leben ein.

Die geistige Herausforderung ist uns Menschen immanent. Aber auch Tiere suchen sie. Das hat wohl auch damit zu tun, seine Umwelt kennenzulernen und sie berechenbar zu machen. Und je mehr man an Details auftut, desto sicherer wird sie.

Es gibt Menschen, die sich von einem Wissensgebiet zum anderen fortbewegen. Ein Topos ist derjenige, der eine Sprache lernt und sich dann der nächsten zuwendet. Ich kenne einen Spanier, der das tut. Er ist nun 60 Jahre alt und wendet sich den Dingen zu, die er immer schon einmal wissen wollte: er hat sich nun der Relativitätstheorie gewidmet. Andere studieren ohne ökonomische Notwendigkeit ein zweites Mal – viele empfinden das als absurd, ist doch kein wirtschaftlicher Zwang damit verbunden, dafür aber der Einsatz von Ressourcen ohne Mehrwert.

Ich frage mich, welche psychologische Grundstimmung solchen Typen immanent ist: sind sie glücklich oder getrieben? Sind sie geistige Spieler? Ist Ihr sonstiges Handeln dann auch von Experimenten begleitet – oder sind sie dann ‚norm‘al?

Darf man solche Menschen unruhige Geister nennen? Können die jemals glücklich sein? Kann es ihnen jemals langweilig werden?

Verallgemeinern lässt sich das kaum. Denn eine Befriedigung erlangt man wohl nur, wenn etwas verstanden und komplettiert ist. Schlimmer noch bei Künstlern, die Zeit ihres Lebens nach einem Weg suchen, sowohl materiell als auch in ihrem Schaffen. Wie viele Biographien zeigen die zerrissenen Seelen der großen Namen!?

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