Belehrung

Es gibt diese Menschen, die ihre Mitmenschen ständig belehren. Man begegnet ihnen immer wieder. Doch gibt es auch Kulturen, in denen sich diese Charakteristika massieren, wie beispielsweise untern Lehrern oder Juristen. In den neuen Bundesländern trifft man vor allem auf dem Land diese Menschen.
Es könnte somit auch als Berufskrankheit verstanden werden: denn Lehrer und Juristen ordnen das Leben von Mitmenschen. Das ist ihr Job. Und sie können dann auch nicht anders in ihrem Privatleben.
Was nur treibt sie? Es ist ein Gefühl und eine schöne Vorstellung, dass Regel und Normen wichtiger als irgendwelche beliebigen Wünsche von Einzelpersonen sind. Und gleichsam herrscht die Überzeugung, die Regeln besser als andere zu kennen.
Und diese Belehrung versetzt den anderen dann in die Rolle des Schülers, des Untergebenen, des Zuhörers, des Befehlempfängers. Auf jeden Fall geht damit ein Gefühl der zwangsweisen Unterjochung einher. Da dies aufgezwungen und nicht frei gewählt ist, provoziert diese Fremdbestimmung Widerstand und Aufbegehren.
Es kann sich dabei um kleine Äußerungen, aber auch echte Anwendungen handeln. Es fängt an mit der Mikrogestik im Gesicht des anderen, wenn beispielsweise die Augenlieder nach unten fallen und suggerieren, dass man doch alles schon gehört habe. Oder aber das Gegenüber sitzt sich in einer Pose des lockeren Ausruhens, um zu zeigen, dass wiederum sein Gegenüber keinen Stil beanspruchen könnte.
Viele verbale Äußerungen sind unglücklich und fahrlässig, können aber auch intendiert oder gar ehrlich gemeint sein. Um ein Beispiel zu nennen, nannte mich ein alter Bekannter einen Salonbetriebsrat, der eben nur ein bisschen Opposition übe. Er suggerierte, ich täte dies nur als Aushängeschild sozialen Handelns, ohne für weitere Opfer bereit zu sein und schlichtweg zu wenig Mut zu haben.
Dann gibt es auch diese Belehrer unter den Mitmenschen, die einem zu einem bestimmten Verhalten drängen, das von ihnen selbst diktiert wird. Das kann einen überall erwischen. Ich erlebe es sehr häufig bei Ausflügen nach Brandenburg. Ich weiß dann nicht zu entschieden, ob das die Rache am vermeintlich siegreichen Wessi ist oder tatsächlich eine eingeübte Verhaltensweise, die zu dem sozialisiert wurde. Sie ist natürlich auch Ausdruck einer Gesellschaft, die ein oben und unten, ein Befehlen und Gehorchen kannte.
Der Supermarkt, den ich meist zum Einkaufen aufsuche, hat eine Frau an der These des Bäckers beschäftigt, die ständig kleinere Anweisungen gibt: bitte stellen Sie sich dorthin; nun warten Sie ein wenig mit der Bestellung; Und tatsächlich habe ich schon erlebt, wie ein Berliner sich auflehnte und meinte, er sei hier der Kunde. Die herbei geeilte Vorgesetzte konnte der Frau nicht Herr werden.
Diese Menschen kann man nur meiden, um keine schlechte Laune zu bekommen. Oder aber man rafft sich auf, sich dem Verhaltensmuster entgegenzustellen. Das ist dann vermutlich so wie eine Gewissensprüfung.

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