Bohemiens sind solche Personen, die sich kleiden wie eine Abteilung bei Madame Tussot. Sie gehören zur europäischen Kulturgeschichte, Kapitel ‚harmlos, aber schrill‘.
Vermutlich wurden sie schon immer negativ beurteilt, wie die Synonyme zeigen: Geck, Laffe.
Warum das so ist, muss man sich fragen. Denn zu ihrem Rollenverständnis gehört eben auch, höflich zu sein. Es ist ein wenig wie der gebildete und souveräne britische Gentleman. Und den mag irgendwie jeder.
Auch sind Bohemiens ein Gegenentwurf zum harten Mann mit all‘ seinen Mannbarkeiten aus Stärke und Muskeln. Der immer nur gewinnen will, die Auseinandersetzung eingeht, keinen Sinn für das Feine hat usw.
Musikalisch steht Max Raabe für dieses winzige Milieu, das aufgrund der geringen Anzahl keines mehr ist. Vielmehr handelt es sich um Einzelgänger, die sich vor einem Publikum exponieren wollen und müssen.
In Berlin gibt es einige von ihnen. Sie haben ihre kleinen Öffentlichkeiten. Einer von ihnen kandidierte letztens für den Deutschen Bundestag.
Ich mag solche Typen, die zeigen, dass man auch bei Gegenentwürfen zur Norm keine Angst vor Ablehnung haben muss und sein Anderssein genießen kann.
Kürzlich lernte ich, dass Fliegen, die von den Bohemiens getragen werden (auch von Frauen) in der Regel an den Bund angesteckt würden. Die Konsequenten unter ihnen jedoch würden weiter ihre Fliegen selbst binden. Die wären so gut wie nie symmetrisch – was gut zu den Bohemiens passt.