Das sog. päpstliche Geheimnis

Der sexuelle Missbrauch in der institutionalisierten katholischen Kirche wird wegen eines Kirchengesetzes nicht thematisiert bzw. tabuisiert, das sog. päpstliche Geheimnis. Es gebietet dem Wahrer der Institution Kirche, von ihr Schaden abzuwenden.
In jeder Einrichtung gibt es wohl so etwas: ein Schutzschild, sich nicht für alles verantworten zu müssen, was in den formalen Steuerungsbereich eines Herrschers fällt. Und dorthin können alle zweideutigen Sachverhalte geschoben werden, unangenehme Vorkommnisse, schwarze Kassen oder anderes, das man nicht in der Öffentlichkeit diskutiert sehen will. Kriterium dürfte auch sein, es nicht von einem säkularem Strafrecht berühren zu lassen, vielmehr einen moralisch zwielichtigen Sachverhalt erst gar nicht zur Diskussion zu stellen.
Dieser Vorbehalt des Schweigens und der Toleranz ist bequem. Es zementiert Macht. Es kann schwierigen Fragestellungen ausweichen helfen. Es macht klar, dass die Institution mehr gilt als der Ruf in der Öffentlichkeit. Es gelingt so, im Inneren zu regeln, was geregelt werden muss.
Die historische Kirche ist damit Vorbild für so ziemlich alle hierarchisch strukturierten Einrichtungen. Dadurch ist es auch ein Stück selbstverständlicher Organisationsentwicklung. Denn jede Organisation schafft sich das Gebot, sich zu erhalten. Vielleicht entwickeln sich deswegen alle Gruppierungen zu einem solchen Vorbehalt.
Erhält eine Herausforderung nicht den Stempel einer organisationsinternen Angelegenheit, wird automatisch der Vorbehalt in Frage gestellt. Dann kann sich der Herrscher nicht mehr auf die institutionelle Macht berufen; er muss aus der Perspektive eines anderen Systems eine Erklärung leisten. Und das ist schwierig, da dann zwei Organisationslogiken aufeinander prallen.
Im Kern handelt es sich dann um einen Konflikt zweier widerstrebender Loyalitäten. Auch ein liebender und bewusster Vater wird sein Kind verteidigen, wenn ihm ein gravierender Fehler unterlaufen ist. Er riskiert entweder auf der einen oder anderen Seite Misstrauen und Abwendung.
Wie schön wäre, hätte jeder Mensch ein Recht auf den Rückzug in den Raum des Geheimnisses. Dann käme er um alle inneren und äußeren Konflikte herum. Schweigen mag im Volksmund Gold sein. Es ist jedoch keine Handlungsmaxime für das Leben.

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