Der Tunnel in Kabul

In Kabul gibt es eine unterirdische Kellerung, in der 1.000e Menschen wohnen, die sich im ständigen Drogenrausch befinden. In einer kleinen Doku zeigte das Fernsehen Bilder darüber: die Szenen ähnelten den bildlichen Vorstellungen der Hölle von Hieronymus Bosch. Dicht an dicht gedrängt sitzen dort meist Männer, die sich im Kreislauf der Drogensucht aus Aufbereitung und Abhängen bewegen. Es ist dunkel, die Stimmung düster. Der Reporter berichtet von einem eher ätzendem Geruch aus menschlichen Körperdünsten und bedrückender, ja feindseliger Stimmung.

Sieht man Bilder dieses Tunnels, so erschrickt man: dort sind Menschen, die nur noch ein Ziel treibt, d.h. der nächste Rausch. Es ist nicht nur räumlich ein Abgrund, sondern auch einer auf der Skala menschlichen Lebens. Nichts Lebenswertes noch Lebenswürde lassen sich dort finden. Selbst die körperliche Reinigung und die psychische Überwindung der Sucht sind nicht dazu geeignet, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Denn Kabul ist auch ein Ort empfundener Verdammung: dort lässt sich kaum ein glückliches Leben führen.

Vermutlich entspricht das auch dem Empfinden während einer Depression: es gibt keinen Ausweg. Alles ist gleichgültig. Man lebt vor sich und wartet auf die Erlösung oder die Änderung seines eigenen Schicksals durch irgendein externes Ereignis.

Eigentlich ringe ich dann um Erklärung, ob es eine Perspektive für diese Menschen gibt. Doch stellt sich schnell die vermeintliche Einsicht ein, dass eine Umkehr unmöglich ist.

Und dann kommen da Menschen, die sich kümmern: das sind Menschen mit einem religiösen oder tiefem sozialen Bewusstsein. Die schaffen aus eigener Kraft eine kleine Infrastruktur dort, wo sich niemand anders kümmern will, die öffentlichen und staatlichen Institutionen aufgegeben haben.

Ich bin persönlich von solchen Menschen beeindruckt und beschämt. Denn sofort stellt sich die Frage an mich selbst ein, wieso nicht ich mich auch für ein solches Engagement entscheiden könnte. Wieso nur geht man nicht diesen Weg?

Doch führt diese Beschämung darüber hinweg, mich dem Denken und Fühlen, den betroffenen Menschen an sich zu bewegen. Wie ist ihr Funktionieren zu erklären, nicht das biologische und soziale, sondern das kognitive und emotionale? Haben solche Verdrängten noch menschliche Gefühle, Regungen und Interessen? Kennen sie Konzepte wie Zukunft und Vergangenheit? Können sie noch Glück empfinden?

Was vom Menschen, dieser Krone der Schöpfung bleibt übrig? Sind sie nicht schlicht auf den anthropologischen Überlebensmodus reduziert? Ist solches Schicksal unausweichlich? Gibt und gab es immer zu allen Zeiten solches Elend? Gehört das zur menschlichen Entwicklung, so wie die Durchsetzung der Starken? Und lässt sich nicht dennoch ändern, was uns unveränderlich und jämmerlich daher kommt?

Nun könnte ich ewig weiterschreiben … doch Herr werde ich dieses Phänomens nicht.

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