Polen

Der polnische Charakter verschließt sich bei der bloßen Beobachtung der Menschen noch mehr als bei Mitgliedern anderer Nationalstaaten. Denn sie sind irgendwie ‚unauffällig‘, meist ruhig und wenig schillernd im äußeren.

Jedenfalls haben sie nichts mehr gemein mit diesem ehemaligen Sowjetunion-Menschen, der aus den Textil-Errungenschaften der Nachkriegszeit bestand und Rundungen wie eine russische Matrone annahm.

Heute sind Polen insgesamt sehr ruhig. Ihre Stimmhöhe und -frequenz ist mehr als gemäßigt, es sei denn, man hört aktiv einer TV-Werbung zu. Der ewige Zischlaut trägt wohl auch dazu bei: die Konsonanten dominieren den Lautklang; niedrige und hohe Töne sind selten zu vernehmen.

Höflichkeit und / oder Respekt vor Mitmenschen scheint mir ein allseits geteilter Wert zu sein. Denn die Regeln von Danke und Bitte werden durchweg befolgt. Als Reisender gerät man nicht in diese Situationen, in denen man sich bevormundet oder übersehen fühlt. Freundlich jedoch erscheinen die Polen auch wieder nicht an sich. Denn ihr Level an Lächeln und Lachen ist dazu einfach zu gering.

Eine Offenheit halte ich für gegeben, da man ohne diese umständlichen Umschweife und ostentativen Arroganzen – beispielsweise der Pariser – mit Polen kommunizieren kann, auch wenn sich keine gemeinsame Sprache finden lässt. Sie haben kein Problem, Fremden in die Augen zu schauen. Auch wenn nur geringe Neugierde zu interpretieren ist, so fehlt auch das Misstrauen gegenüber unerwünschten Fremden.

Die Gestalt von Polen ist nicht mehr das, was man in früheren Zeiten gegenüber slawischen Völkern polemisierte: hohe Wangenknochen, fleischige Körperlichkeit oder zuselige Haare.

Jedenfalls sind junge Polen weniger übergewichtig als Deutsche. Sie vermitteln den Eindruck, eher funktional zu sein, da sie sich nicht als Schmuckobjekt verstehen: Sie tätowieren sich kaum, tragen Kleidung ohne Auffälligkeiten, sind weniger stark mit Düften besprüht. Das einzige ist das Färben der Haare unter den 30-60-jährigen Frauen, das noch auffällig ist. Doch handelt es sich hierbei auch nicht um die schrillen Farben, die in Deutschland die protestierende Adoleszenz trägt.

Insgesamt ist es sehr angenehm, mit solchen Menschen Umgang zu haben. Sie erinnern mich an den aufrechten, prompten, offenen und freundlichen Deutschen des letzten Jahrhunderts. Auch wenn er irgendwie Einheitsdeutscher war, doch war sein preußisches Benehmen  als selbstverständlich anzunehmen.

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