Unbarmherzig

Ich kenne einen Mensch, der durchweg angenehm im Umgang ist. Man kann mit ihm lachen, sich austauschen und vieles mehr. Es macht Spaß, sich zu unterhalten, Gedanken zu vertiefen oder humorig zu sein.

In die Unterhaltung mischen sich dann jedoch immer wieder harsche Aussagen über Problemfelder, denen man unweigerlich im Leben begegnet, wie zur Kinderziehung, zu Migranten, zum Alkoholkonsum usw.

Dann fühle ich mich, als ob jemand in eine Starre verfällt. Denn es erhebt sich dann die Frage, ob man einen ethischen Korrekturbedarf anbringen muss – in dem Stil, dass diese Aussagen doch eher Eckpunkte eines moralischen Verständnisses sind, das man selbst nicht teilt.

Ich selbst bin dann verunsichert, aus welchen Überlegungen solche Gedanken entstehen. Darüber hinaus frage ich mich, wieso ich dann diese Unfälle toleriere, wobei ich sonst eher revoltieren würde. Zur Relativierung, nicht Entschuldigung, kann ich dann nur beitragen, dass ich mich von meiner mehrheitlichen positiven Bewertung beeindrucken lasse.

Barmherzig ist auch so ein Wort: es dürfte wohl bedeuten, dass man Mitmenschen Unterstützung in Not gewährt, ohne auf eine Gegenleistung achten zu wollen. Vielleicht würde man es heute als humanitär bezeichnen. Darüber hinaus bezeichnet unbarmherzig wohl auch die Verachtung von Hilfe. Ungnädig wäre wohl falsch, da Gnade voraussetzt, dass sich ein Mitmensch etwas zu Schulden hat kommen lassen.

Wie kommt es, dass ein sozial verständiger Mensch Härten in Einzelbereichen seiner Umwelt zeigt? Hat er genug von seinem durchschnittlichen Verhalten? Benötigt man eigene Spitzen, um auch dem eigenen Bedürfnis gegen die ewige Harmonie nachzugeben? Muss jeder einfach einmal urteilen dürfen – aus dem Bauch, ohne viel Überlegung?

Ich selbst kann das bei mir beobachten, da ich mich beim Fußballspiel in das Verhaltensrepertoire des Schreiers und Angreifers fallen lasse. Das macht gar Spaß!

Was überhaupt treibt den Menschen, anderen gegenüber in einer bestimmten Lebenssituationen Härte zeigen zu wollen? Wohl weil man mit der Situation Selbstverschulden impliziert. Klassisch ist dafür der alkoholisierte und schlecht riechende Obdachlose, dem man einfach Faulheit, mangelnde Initiative und Einsicht unterstellt. Gerade hier würde wohl Barmherzigkeit beginnen, wie es kirchliche Praxis zumindest der Franziskaner war. Barmherzigkeit wärmt mir schon als Wort das Herz.

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