Wann schon bekommt man mit, dass man selbst Einfluss auf das Denken, Handeln und somit Leben von anderen hat? Es dürfte selten genug vorkommen.
Doch bestätigte mir in diesen Tagen ein junger Mann, dass eine Aussage von mir richtungsweisend für ihn sei. Ich war überrascht. Noch mehr, als ich gestehen musste, dass ich dies wohl eher beiläufig in einem Gespräch erwähnt hatte. Es ging darum, dass ich wiederholte, man müsse mit 37 Jahren einen Status im Arbeitsleben errungen haben, um ‚voranzukommen‘. Sonst wäre es aus.
Das Gefühl, irgendwie wirksam für das Denken anderer zu sein, ist seltsam: es schwingt spontan der Stolz mit, einem Mitmenschen irgendetwas mitgegeben zu haben. Dann stellen sich rasch die Zweifel ein: das ist Zufall, von so vielen Faktoren geprägt.
Mir selbst ist es ja auch nicht anders ergangen. Denn einprägsam sind Dinge, die ich irgendwo aufgeschnappt habe, sei es in Filmen oder Büchern, Weisheiten, aber auch von einzelnen Menschen. Doch von Menschen übernehme ich meist ihre Haltung im Leben, ohne auf Einzelheiten zu achten. Es ist der Lehrer, der Opa oder eine andere Person, die Respekt entfaltet.
Alles Handeln und Verhalten wird gemeinhin als privat betrachtet. Doch immer wieder bewegt man sich unter Menschen. Und provoziert so deren Verhalten, was bei einem selbst Eindruck hinterlässt.
Ein Beispiel ist die Art und Weise, mit Arbeitslosigkeit umzugehen. Wie ein Korsett liegt auf uns Deutschen, nur dann anerkannt zu sein, wenn man beruflichen Erfolg vorweisen kann. Diese preußischen Haltungen sind omnipräsent. Gerade der Erwerbslose wird überdurchschnittlich häufig depressiv. Obdachlose werden beschimpft, sie sollten gefälligst arbeiten. Und plötzlich begegnet mir ein Gleichaltriger, der sagt, er verstehe nicht, wieso wir Deutschen aus Arbeitslosigkeit so ein Drama machten. Denn man könne doch froh sei, eben nicht zur Arbeit gehen zu müssen. Das gibt mir freilich auch zu denken. Denn das Faktum an sich ist kein Weltuntergang, für das ich es aber halten könnte.
Zu gerne wüsste ich, ob andere Menschen mich zum Vorbild für irgendein Verhalten genommen haben. Noch besser wäre, wenn ich dann sagen könnte, meine Modellbildung sei ein Verdienst meiner persönlichen Entwicklung. Und so könnte ich mich sonnen in meiner eigenen Anerkennung. Doch weiß ich auch, dass Saat nur dort aufgeht, wo fruchtbarer Boden ist. Ich weiß auch, dass ich ein Produkt von vielem bin, kaum aber von einer bewussten Nachverfolgung eines Persönlichkeitstypen. Und bange wird mir, wenn ich ein Modell der Abschreckung wäre. Und ich weiß, dass einige Mitmenschen dies genau so sehen. Ergo: mein Einfluss ist wohl wie der jedes anderen, gut und schlecht gleichermaßen.