Nichtmals ein kleines Lächeln

Wie sehr kann man seine globale Umwelt missverstehen! So war ich kürzlich einen Kaffee to go kaufen. Das Restgeld warf mir die Verkäuferin in die kleine Schale, den Kontakt der Augen meidend, die Gestik gelangweilt und sich rasch abwendend. „Welch seltsames Verhalten!“, dachte ich bei mir. „Kann diese junge Frau denn nicht danke oder bitte sagen?“

Und so könnte ich nun den Tag weiter mit der Frage nach dem Verhalten dieses jungen Menschen verbringen. Ich würde dann bei und zu mir denken, dass diese Frau unhöflich ist, wohl den gesellschaftlichen Umgangston nicht kennt, sich gehen lässt oder sonstiges. Ich würde mich innerlich empören und abschließend ein Urteil treffen: wie etwa ‚blöde Kuh‘ oder ungezogene Göre.

Habe ich aber schon verraten, dass diese junge Frau wohl einen Migrationshintergrund hatte? Das jedenfalls müsste ich aus dem dunklen Teint ihrer Gesichtshaut schließen. Dazu diese dunklen Augen und fast schwarzen Augenbrauen.

Nun könnte es doch sein, dass ihre häusliche Kultur tatsächlich auf Krawall gebürstet ist: „diese Deutschen sind so Höflichkeits duselig. Genau gegen diesen Mainstream lehne ich mich auf.“ Dann wäre das Verhalten ein gesellschaftlich-politischer Protest, der eben mich als zufälligen Repräsentanten erwischt hätte.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die junge Frau aus einer Familie stammt, in der strenge Regeln des Umgangs von Mann und Frau gelten. Dann wäre es völlig ‚normal’ gewesen, die Distanz zu wahren.

So weiß ich nicht wirklich, was passiert ist. Ich kann mir nur sicher sein, dass ich mir meiner eingepflanzten Beurteilungsmuster nicht sicher sein kann.

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