In letzter Zeit habe ich so viele Interviews und Talk Shows mit Personen gesehen, die Ihren 70. Geburtstag vor oder gerade hinter sich haben.
Es gibt diejenigen, die annehmen; die, die leugnen; oder die, die ignorieren. Jedenfalls sind alle, die sich dazu äußern, darauf bedacht, irgendetwas etwas Sinnvolles beizutragen. Schließlich dürften sie in einem Rahmen der nächsten 15 Jahre ableben, sterben eben.
So sah ich Konstantin Wecker, Matthias Habich, Henry Hübchen, Mathieu Carriere, Rod Stewart, Elton John.
Erstaunlich an diesen 70-jährigen ist, dass die aussehen und wirken wie 55-jährige. Vielleicht sind das die Ausnahmen ihrer Altersgruppe. Gerade deswegen könnten sie auch ein besondes Leistungspotential entfaltet haben. Doch ist das wohl nicht der Fall. Vielmehr dürfte gleich eine signifikante Gruppe ihrer Altersklasse ähnlich wirken.
Nun könnte man in einem life style-Magazin schlau schreiben, es handele sich doch um die jungen Alten. Doch müsste man dann nachfragen, ob alt zu wirken und zu sein identisch mit ‚jung‘ sein soll. Denn eigentlich sind die Personen nur in ihrer Kleidung jung, teilweise in ihrem körperlichem Zustand und bedingt nur in ihrem Denken.
Sie sind eben nicht ‚alt‘ im Verhalten, wie die Mehrheit es definieren würde. Sie sind nicht starrsinnig, voll von rückwärts gewandten politischen Ideen, in beige gekleidet usw. Dennoch durchlaufen sie alle dieselbe Reflektion in der Bewertung des Jetzt und des Früher. Sie ziehen eben Bilanz. Sie können es ‚modern‘ ausdrücken, dass auch Menschen jüngeren Alters sie verstehen. Das gehört aber auch zu ihrem Repertoire als prominente und öffentliche Person. Andererseits sind sie auch ihrer eigenen Jugend näher: Sie stellen sie ins Zentrum ihrer Rückschau und fragen sich, ob ihre Karriere zwangsläufig war und geglückt ist. Sie wollen oft wissen, ob ihre Leistungsfähigkeit und ihr Potential darüber Ausschlag gegeben haben – oder eher der glückliche Umstand. Und sie werden demütiger als Ältere früher, weil sie erkennen, dass ihr Lebenswerk zufällig ist, von Glück abhängt, Umstände positiv waren und die eigenen Talente sich eher automatisch ausgebildet haben.
Es wäre wohl wert, einen Fragebogen dafür zu standardisieren, wie man sein Leben in der Rückschau prüft, um es bewerten zu können.
Diese jungen Alten plagen dennoch dieselben medizinischen Umstände wie alte Menschen in der Vergangenheit. Daher sterben sie dann – auch für uns – überraschend, wie wir es mit David Bowie erlebt haben. Man hätte es schlicht nicht erwartet.
Die 70-jährigen heutzutage führen meist auch das weiter, was sie in ihrem Leben gemacht haben. Früher waren die älter Werdenden dazu weniger in der Lage, weil Muskelkraft – wie mentale Stärke, Gesundheit – eine größere Rolle spielte als heute. Dieser Tage kann das kompensiert werden durch Maschinen und Automatisierung, unterstützt durch geschicktere Medienpräsentation und bessere Gesundheitsversorgung.
Die 70 Jährigen sind wie unsere Therapeuten und Wahrsager. Denn sie nehmen vorweg, was uns noch bevorsteht. Und so haben sie den Status verloren, Rollenmodelle zu sein: früher für Musik und Lebensstil und heute für unser älter werden. Sie bewegen sich wie ein gleichförmiger Rechenschieber mit uns durchs Leben. Ich werde sie vermissen.