Hören Sie mir doch auf – die Alten mit ihren Weisheiten gehen mir auf die Nerven

Seltsame Dialoge habe ich kürzlich durchlebt. Das Muster war immer dasselbe: hör auf, Dich als erfahrener und besser Wissender aufzuführen! Einmal meinte eine junge Frau zu mir im Gespräch, wahrscheinlich könnte ich schon wieder eine Phalanx an Argumenten gegen ihre These vorbringen. Dann pampte mich ein Gesprächspartner am Telefon an, es reiche jetzt, da er gegen meine Erfahrungswerte wohl nicht ankäme; er müsse sich erst schlau machen. Und ein anderer Kollege maulte einst per Mail, die Älteren hätten nicht immer Recht. Usw.

Mir wurde stets mulmig, da ich noch immer hoffe, die Macht der Argumente würde entscheiden. Oh nein! Dem ist nicht so. Denn es entscheidet die Glaub-Würdigkeit darüber, ob jemand überhaupt zuhört und die Argumente der anderen reflektiert. Denn das muss erst einmal die Schallmauer durchbrechen, der inhaltlichen Auseinandersetzung die Priorität einzuräumen. Immer entscheidet darüber der persönliche Grenzraum.

Ich gewinne den Eindruck, dass Respekt und Status einer Person immer höher als die Bedeutung des Inhalts schwingen. Das ließe sich leicht kulturell erklären, indem man sich das Muster patriarchalischer Familienstrukturen anschaut: egal wie unsinnig die Meinung des Vaters, sie muss befolgt werden. Nun könnte man abtun, dass dies gerade in konservativen und traditionellen Gesellschaften ja die Norm sein könne. Doch findet sich das auch in der freiheitlichen deutschen Gesellschaft allenthalben und überall. Es sind die nicht offensichtlichen und versteckten Bedeutungszuschreibungen der Zuhörer, die über das Gewicht eines Beitrages entscheiden. Also bestimmt die soziale Konstellation den Austausch.

Die andere Seite jedoch ist die der mauligen Ahnung, dass man im Gefecht der Argumente nicht auf Rücksicht zu hoffen braucht. Das wiederum bringt Menschen dazu, den Dialog zu relativieren. Erstaunlich ist, dass nicht die Neugierde am Erfahrungswert, der neuen Erkenntnis und dem Wissen obsiegt. Es siegt das Interpretationsmuster, dass die eigene Person hier nicht gewürdigt wird. Denn das Argument zählt. Wieso dann diese Menschen aus dem Austausch aussteigen, verstehe ich nicht. Ich würde immer dabei bleiben, um mehr zu erfahren.

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