Es ist schon komisch! Im Herbst 2015 trommeln die Bürger geradezu von ihrer eigenen Moral besoffen, um Flüchtlinge willkommen zu heißen. Die Politik macht mit, lässt sich von der Woge mitreißen.
Dann kommt es zu einem Stimmungsumschwung, symbolisch durch die sog. Übergriffe in der Silvesternacht 2015 am Kölner Hauptbahnhof. Die Symbolik ist stark: junge Männer benehmen sich wie eine Horde unentwickelter und unzivilisierter Wilder.
Das höhere Gut der Unversehrtheit von Frauen kippt die Stimmung, angeheizt durch die Medienberichterstattung, die der Empörung Ausdruck verleiht.
Ein Rationale dieses Stimmungsumschwungs liegt aber auch in der Tatsache, dass eine Umbewertung stattfindet: haben junge Männer das Recht, unbescholtene Frauen zu belästigen? Treffen hier nicht unvereinbare Wertewelten aufeinander? Es ist verdammt schwer, sexuelle Übergriffe zu entschuldigen. Denn auch ein liberales Strafrecht kann nicht ent’schuld’igen, dass Bürgern – zumal schwächeren – Unrecht angetan wird. Die political correctness hat hier keine Chance. Die jungen männlichen Flüchtlinge sind per se ausgeschlossen.
Zudem taucht das Motiv auf, dass diese jungen Männer diejenigen sind, die nicht die hilfsbedürftigsten Menschen sind. Die haben nämlich die Flucht nur angetreten, weil sie sie auch körperlich und gesundheitlich erfolgreich beenden konnten. Vielmehr manifestiert sich der Glaube, dass es sich um Witschaftsflüchtlinge handelt, ein in Deutschland eher verpöntes Konzept.
Verstärkt wird dies noch dadurch, dass junge Männer ohne Qualifikationen kein ‚Gewinn‘ für das Land sind. Denn sie bleiben auf Zeit, im errechneten Durchschnitt rund 15 Jahre, ein Sozialfall: Man muss mehr investieren als eine Rendite ansteht.
Ein Jahr danach ist alles anders: denn die Willkommenskultur kehrt sich in eine Verschärfung der Abschiebung um. Beigetragen dazu hat auch der islamische Terrorismus, der zum pars pro toto für die Flüchtlinge avanciert.
Das alles ist uns Beobachtern bekannt, nur zu gut geläufig. Ich frage mich aber, ob wir selbst merken, wie unsere eigenen Werte denen weichen, die uns die veröffentlichte Meinung vorgibt?
Macht sich in unserem Denken nicht plötzlich der Gedanke Raum, dass wir eben ausgenutzt werden? Dazu tragen die Stimmen der gemäßigten Rechten, wie der CSU bei ebenso wie das Handeln der osteuropäischen Staaten, die Deutschland gerne weitere Lasten aufbürden.
Und schon sind unsere Werte von vor 1,5 Jahren gekippt. Ist unser eigener Wertewandel dem kollektiven unterworfen, von ihm anhängig? Können wir uns ihm überhaupt entziehen?
Tatsächlich sitzen wir Stimmungen auf: gehen wir in eine Bar, in der gelacht wird und offensichtlich gute Laune herrscht, lassen wir uns mitreißen. Das geht auch beim Gegenteil, wenn wir einer Trauerfeier beiwohnen. Schon alleine der Herz zerreißende Film lässt uns Tränen vergießen.
Die Stimmung erhält dann Oberwasser vor dem Wert, den wir gerne explizieren. Man muss sich nur vorstellen, dass der neue SPD-Kanzlerkandidat Schulz Gerechtigkeit zum Schlachtruf einer Kampagne macht. Ist das die christliche Gerechtigkeit, dass auch Flüchtlinge eine Heimstatt benötigen? Oder ist das die christliche Gerechtigkeit, die denen ein Prä gibt, die genau unter dieser Integration anderer zu wenig bekommen könnten?