Kennen Sie den Dialog? Ihr Gegenüber beruft sich auf Fakten, die Sie nicht ‚glauben‘, da es Ihnen verquer vorkommt. Sie zweifeln klar und deutlich im Gespräch. Doch ihr Gesprächspartner sagt, dass er das schließlich im Fernsehen gesehen habe.
Sie kämpfen also gegen die Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Faktums an. Sie sagen: es könne aus logischen Gründen nicht sein – und finden dafür einen für Sie plausible Begründung.
Das hilft jedoch nicht. Denn der ‚Glaube‘ an den unbedingten Wahrheitsgehalt von Aussagen der öffentlichen Medien ist größer als der Mut und das Selbstvertrauen, sich damit auseinanderzusetzen, ob die Aussagen stimmen. Man verlässt sich auf die Glaubwürdigkeit, die Stimmigkeit und die vermeintliche Legitimität, da man selbst gelernt hat, man müsse sich stets an die Wahrheit halten. Und das gilt doch für öffentliche Medien schon im Besonderen.
Dieses Verhalten gerät immer mehr in Verdacht, ein Mangel an Mut, eine Verweigerung an Reflexion und fehlende Alltagsintelligenz zu sein. Mit der Wahrheit des Web 2.0.-Zeitalters nämlich verhält es sich grundlegend anders, da in diesem interaktiven Netz jeder seine eigene Öffentlichkeit schafft. Und dieser ‚Massen’zugang zur öffentlichen Äußerung ist neu! Und hier ist niemand mehr an ein deutsches Pressegesetz gebunden oder muss irgendwelche Sanktionen fürchten. Ergebnis: man kann lügen, „bis sich die Balken biegen.“
Kindern und Jugendlichen möchte man daher zwischenzeitlich eine sog. Medienkompetenz mitgeben. Sie bezieht sich weniger darauf zu wissen, dass man nicht alles glauben soll, was man im Netz lesen sollte. Es geht vielmehr darum, Kinder davor zu bewahren, selbst ein Täter zu werden, indem sie private Dinge preisgeben oder Unsinn ‚posten‘.
„Aber das steht doch in der BILD-Zeitung“, hat mir meine Großmutter noch zugerufen, wenn wir um irgendeine Geschichte rangen. Woher auch immer, doch ich ‚wusste‘ als Kind schon, dass BILD eine Lügenpresse war – und sie per se nicht nur hinterfragt werden musste, sondern ihr grundsätzlich nicht geglaubt werden konnte.
Gerne würde ich die Welt so einfach haben, wie es einen Volksglauben im Zeitalter meiner Großmutter gab. Doch sie ist nicht mehr.