Das Feuilleton gegen den Rest der Welt

Das Feuilleton ist ein Bitzel in der Zeitungslektüre, das diejenigen ’studieren‘, die an einem Sonntagmorgen mit einem Barrista-Anspruch eine Kaffee in sich hinein schlemmen. Sie tragen schicke moderne Retro-Brillen und sind bewusste Menschen.

Sie taugen als attraktiver Sog, aber auch als ultimatives Feindbild. Denn sie sind so verdammt überlegt und vertiefen sich gerne in einen Diskurs (den ‚Dialog‘ würden sie als Wort ablehnen) über einen Aspekt des Lebens, der nicht von Bedeutung für das (Über-)Leben ist. Sie sind so verdammt souverän und reflektiert, dass einem Zuhörer die ‚Galle hoch kommt‘. Denn sie reden über nichts von Bedeutung, nur über intellektuelle Sachen.

Heute sprach ich beiläufig mit einem Muster dieser Spezies. Sie stammte aus Hamburg. Die Frau war bereits im Ruhestand und trug diesen oversize grauen Pullover – eher ein Poncho – mit einer dieser Broschen aus dem Kunsthandwerk im Szeneviertel, was überteuert dargeboten wird – und von dem man glaubt, dass es niemals gekauft würde.

Doch: die Unterhaltung – eher Ihr Monolog – war großartig: sie berichtete in schönen Worten über ihr Leben, Ihre Bewertungen historischer Episoden, Urteile über das älter Werden – und das alles in 20 Minuten. Ich fühlte eine schöne und positive Beobachtung des eigenen Lebens.

Ich war mitten im Feuilleton, das gerade zu realem Leben auferstand. Ich hörte geradezu das Knistern, das sich beim Umblättern der Zeitung einstellt. Es war in dieser Wärme des schönen Cafés ein wohliges Zusammentreffen.

Das Feuilleton ist eine Tür, die man aufstößt und plötzlich vergisst, dass sie hinter einem offen steht. Der Raum ist angenehm bewegt, würde ich ihn malen müssen. Ich wünsche jedem sein eigenes Feuilleton, in das man eintreten kann. Es muss nicht das Feuilleton sein, es könnte auch der Fußballplatz sein.

Geht’s raus und spielt Fußball (Beckenbauer).

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