Falsche Vergleiche? Sexueller Missbrauch vs. ökonomischer Abhängigkeit in der Ehe

Was eigentlich regt uns so auf, wenn wir von sexuellem Missbrauch von Kindern hören? Selbst bei sonst von mir als durchweg rational strukturierten Menschen lassen sich ‚Ekel‘ und Aggression bis zum Vernichtungswunsch beobachten. Auch in der Hierarchie des Gefängnisinsassen sind Missbrauchstäter ganz ‚unten‘ angesiedelt. Alle sind sich einig: „sperrt sie weg – das sind doch keine Menschen!“

Woran liegt das nur? Ich habe mich das schon so häufig gefragt. Eine erste Hypothese ist das konsensuale Bild vom ‚unschuldigen Kind‘, das noch so viel Zukunft vor sich hat, sich nicht erwehren kann, lebenslange negative Auswirkungen mit sich tragen wird und der Abhängigkeit von der Macht des Erwachsenen ausgeliefert ist.

Eine erste Hypothese ist die Asymmetrie von Macht und die daraus resultierende Abhängigkeit. Würde aber das die heftigen Reaktionen und Sanktionsforderungen begründen können? Denn liegen die nicht auch bei anderen Gruppen vor? Nehmen wir Beispiele wie die Pflegebedürftigen, denen Gewalt angetan wird; die Frauen, die erst ausgebeutet und dann verlassen werden; die Männer, die in der Ehe Gewalt erfahren; oder die Opfer von Mobbing in Vereinen oder Betrieben, die ‚zerstört‘ werden. Immer liegt auch hier genau dieses Kriterium vor. Niemand aber würde darauf kommen, dass man die vermeintlichen Täter ähnlich moralisch aburteilen würde wie die Missbrauchstäter.

Eine zweite Hypothese könnte darin bestehen, dass Kinder bedingungslose Fürsorge benötigten, sind sie doch schließlich Schutzbefohlene und unsere Zukunft. Wäre dies logisch, da wir doch zeitgleich behinderte Kinder beargwöhnen ebenso wie vorlaute, unhöfliche, schlaue und gewalttätige Kinder ablehnen? Ist es nicht auch so, dass wir Kinder von Geflüchteten eben als Geflüchtete beurteilen – also raus damit?

Falsche Vergleiche gibt es nicht: es gibt nur solche, die anregen. Vergleiche an sich können auch nicht geschmacklos sein. Und die Gegenwehr gegen einen guten Vergleich, dass ‚man Äpfel mit Birnen vergleiche‘, ist die Hilflosigkeit gegenüber einem treffenden Vergleich.

 

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