Meine Großeltern hatten unerschütterliche Ansichten, wenn es um ‚Show Off’s‘ ging: Blödiane! Sie konnten dabei auf eine große Anzahl von Verbalisierungen zurückgreifen, wie Angeber, Neureiche, Emporkömmlinge und anderes.
Ich habe noch viel von dieser Einstellung: mir wird unwohl, wenn ein Gegenüber im Dialog ‚zu viel‘ Raum nimmt; sich jemand einen Status gibt, den er objektiv nicht einnimmt; Selbst-Gefälligkeit vor Selbst-Kritik rangiert.
Zwischenzeitlich gibt es populäre Ratgeber, die Selbstdarstellung, Auftritt und Außenwirkung optimieren wollen trainieren. Darüber gelegt hat sich ein Massenphänomen der Jüngeren, die sich im Netz einem zentralen Hobby widmen, nämlich der medialem Selbstdarstellung.
Was ist denn eigentlich ‚in Ordnung’? Gibt es hierzu noch eine Regel? Sind Generationen zu spezifisch dafür? Und reden wir hier nicht über den Konflikt zwischen Demut und Hybris, der schon die griechischen Tragödien und die frühchristliche Lehre bestimmte?
Man könnte meinen, dass sei eine Frage des Aushandelns. Ist es nicht; denn jeder bewertet selbst darüber. Jedem muss aber klar sein, dass ’sein‘ Bild des rechtmäßigen und anständigen Verhaltens darüber entscheidet.
Und das ist nur das grobe Bewertungsmuster. Denn die Mikro-Gestiken entscheiden doch schon darüber, wie man wertet – ohne dass der Kopf reflektiert, bewertet und entschieden hat.
Im Kern liegt die Empörung über die Selbstdarstellung darin, dass sich das Gegenüber aufschwingt, das Gleichgewicht zwischen den Menschen im Dialog zu stören. Es missachtet die Einstellung und Erwartung des anderen zugunsten des eigenen Bedürfnisses nach Darstellung.
Doch meist passiert nichts weiter, so dass man bei flüchtigen Begegnungen darüber hinwegsieht. Wieso sollte man denn auch eine Klärung initiieren? Ist dies so wichtig? Was geschehe, wenn man den anderen darauf aufmerksam machte? Und wenn er verstünde: würde er sein Verhalten ändern?
Hat man einen engen Bezugspunkt zum Selbstdarsteller, könnte sich das eher lohnen – soweit man sich überhaupt gestört fühlt. Immerhin haben sich Narzissten Partner!
Im Kern jedoch muss man sich selbst fragen, ob die Selbstdarstellung des anderen etwas mit sich zu tun hat – und seiner Anschauung. Denn das andere sich brüsten, muss nicht bedeuten, den anderen klein zu machen: vielleicht will der sich brüstende nur auf Augenhöhe sein. Möglicherweise fühlt er sich unterlegen. Es könnte sein, dass er nur dem Selbstgefühl und dem Genügen entspricht. Oder er hat es so einmal experimentiert und nie reflektiert.
Immerhin: die Selbstdarstellung erfüllt die Selbsterklärung: ich bin wer. Meine Identität kann so jeder sehen. Ich erkläre mich meiner Umwelt. Und ich bestätige mich immer wieder darin.