der wahre Tod

Kürzlich erfuhr ich vom Sterben einer älteren Frau, ganz konkret.

Wir sind so verwöhnt von dem romantischen und ’sauberen‘ Ableben in Film und Fernsehen. Es wird irgendein wichtiger Satz gesagt, der Hals entspannt sich und der leere Blick startet. Schöne falsche Welt!

Das Wissen um das Eintreten des Todes ist wohl nur einer winzigen Zahl von Menschen gegeben, ebenso wie der Start eines Lebens. Das ist auch sinnvoll im Sinne von Arbeitsteilung und Spezialistentum.

Der Tod kündigt sich durch gewisse und eindeutige Veränderungen der Körperlichkeit an. Die sind lesbar und lassen sich auch berechnen. Denn im finalen Stadium des Ablebens lässt sich zeitlich bestimmen, wann die Vitalfunktionen ausbleiben. Man sah dies bei David Bowie oder Guido Westerwelle. Letzterer wusste darum, so dass er sich noch am Morgen mit seinem Partner von der Welt verabschieden konnte.

Auch erlebte ich aus der Ferne binnen zwei Monaten drei Todesfälle, die von verschiedenen Krebsarten verursacht wurden. Die ‚Hinterbliebenen‘ berichten sehr genau über die Etappen bis zum finalen Ableben.

Es steht wohl ohne jede medizinische Begleitung tatsächlich so etwas wie der Zusammenfall der Funktionen an. Das kann mit einem schmerzhaftes Delirium sowie mit einem Versagen aller Schließmuskeln einhergehen.

Als mein Onkel 2014 starb, waren wir Familienangehörigen betroffen, traurig darüber, dass dieser Eigenbrötler und immer zugewandte und überaus humorvolle Begleiter nicht mehr dabei war. Doch Thema Nr. 1 war unter uns die Frage, ob er vielleicht Schmerzen empfunden und gelitten hat. Wir redeten uns das so lange zurecht, bis wir befriedigt das Gegenteil glauben konnten.

Dann las ich von einem neuen Buch, das Caitlin Doughty geschrieben hat: „fragen Sie Ihren Bestatter“. Wenn ich mir die Rezensionen so anschaue, so ist der Körper bereits in das Reich der Schatten übergegangen.

Dass wir uns alle abwenden und am besten nichts damit zu tun haben wollen, ist nachvollziehbar. Doch frage ich mich immer wieder, wieso wir uns immer im Schein ausruhen, nur das Gute sehen zu können: „nein, das kann ich nicht. Das ist mir zu viel. Ich würde ja immer dieses Bild im Kopf haben. Das würde mich aus der Bahn werfen.“ Das Nicht-Wollen steigert sich zur Panik, wenn man dann doch mit dem Ableben konfrontiert wird.

Man verspielt eine so große Chance, Abschied zu nehmen. Denn ein Abschied ist ein versöhnlicher Neustart in eine neue Zeit ohne den Verstorbenen. Man hatte vor Augen, dass ein Weiterleben nicht mehr möglich war. Man konnte dem Sterbenden die Einsamkeit und Angst alleine durch sein Dasein nehmen. Man kann so ein Kapitel einer 2er Beziehung abschließen, wie man ein Buch schließt und anschließend noch zärtlich über den Bucheinband streicht. So integriert man eine solche Episode gut in ’sein Buch des Lebens‘.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert