Nichts wächst derzeit so üppig wie der Block von Society-Nachrichten über Diktatoren. Ich habe mir schon überlegt, ein Spiel-Quartett zu erstellen. Das wäre eine ‚richtige‘ Behandlung dieses Typs von Menschen. Man würde sie mit dem Werfen der Karte auf den Tisch prügeln und wie Zirkus-Tiere behandeln.
Würde ich das Quartett strukturieren, müsste ich vermutlich einige typische Informationen hinterlegen, wie Land, Alter, Mandatsdauer. Frei nach ‚Trivial Pursuit’ könnte ich aber auch ein Special anbieten: mit den Daten zur jeweiligen Grausamkeit der Person, wie vermutete menschliche Opfer, größenwahnsinnige Taten, Zahl der öffentlichen Denkmäler, sensationelle Bauprojekte (oder Briefmarken, Badges, Kinder desselben Namens o.a.m.) des Diktatoren.
Um das Ganze noch pädagogisch wertvoll zu machen bzw. zur Reflektion zu provozieren, ließe sich ein weiteres Special über die potentielle persönliche Reaktion schaffen: was würde ich in einem solchen Land tun? Würde ich in die innere Emigration gehen? Würde ich in die Partei des Diktatoren eintreten? Würde ich auswandern?
Im neuen Zeitalter des Internets verblasst die Grausamkeit der Diktatur in dem Maße, wie die Clownerien der Personen ‚Salon-fähig‘ oder eben ‚Internet-kompatibel‘ werden. Denn die Skurrilitäten belustigen die Netz-Konsumenten in ihrer sicheren Entfernung zum jeweiligen Tatort. Die menschlichen Perversionen werden dadurch nicht mit der Betroffenheit betrachtet, mit der man Diktatur nach eigenen Maßstäben bewerten kann.
Die derzeitigen Auswüchse sind überraschend, glaubten wir vermutlich mehrheitlich, dass solche Verrücktheiten nicht mehr möglich sind. Doch Politik degradiert zur Show, bleibt immer weniger der Problemlösungsapparat für gesellschaftliche Herausforderungen.
Die Bewegung gegen das jeweilige Establishment basiert auf mehreren Quellen des Ungehorsams: erstens sind es die Spaßmacher und Politclowns, die sich gegen die Eliten wenden; es gesellen sich diejenigen hinzu, die meist ihre persönlichen Ressourcen als Geschäftsleute einbringen, um höchste Posten zu übernehmen; es gibt die Saubermänner, die gegen die korrumpierten Politiker des Systems wettern und meist auf lokale Aktionsfelder verweisen; und schließlich die Aufräumer – sie alle haben das Zeug zu Diktatoren haben.
Und Diktatoren sind tatsächlich nicht nur verrückt, sondern eben auch und gerade böse. Vielleicht nutzen sie ja Gewalt nichtmals zur Durchsetzung politischer Ziele. Möglicherweise ist Gewalt gerade das Ziel, um politisch basierte Ausübung persönlicher Macht zu legitimieren. Man muss sich das überlegen: es geht um Gewalt und Terror, nicht um Stabilisierung von Macht; es geht um den Gefallen daran, über Leben verfügen zu können. Nicht das Regieren ist das Ziel, sondern das Opfer, die ein Diktator verursacht.
Und man schaue sich die Kandidaten an: Duerte, Putin, Kim Jong-un, Erdogan, Lukaschenkow. Jenseits unserer europäischen Rationalität könnten sie jede Politiksatire oder Theatervorführung bereichern. Doch in ihren Ländern sind sie für menschliches Leid nicht nur verantwortlich, sondern der eigentliche Anker und Motor. Das Wort der Repression ist eben nur eine soziologische Floskel, die die wahre Grausamkeit verbirgt.
Auch als einzelner muss man sich davor hüten, solche Menschen zu bagatellisieren – selbst wenn man gute Erfahrungen damit gemacht hat, Gegner zu ignorieren.