Reflektierte Personen wissen um das Geschwisterpaar Selbst- und Fremdbild. Die Denkfigur ist sehr fruchtbar, da sie zu vielerlei Reflektion anregen kann.
Hier will ich thematisieren, welche Wirren es auslösen kann, seinem Selbstbild zu begegnen. Das beginnt mit dem Erleben der eigenen Stimme oder einer Aufnahme / eines Videos beispielsweise auf einer Geburtstagsfeier. Man ist sich dann reichlich fremd.
Das Selbstbild herauszuschälen bedarf eines Tricks, da ich mich als Beobachter ja selbst beobachten muss. Wir nehmen nun aber an, dass könnte gelingen.
Zu einem Selbstbild gehören eine Reihe von Bestandteilen: die Meinung über den eigenen Körper; die grundsätzlichen Haltungen zum Leben in der Gesellschaft; ein Bewusstsein um Stimmungen und Launen; das Wissen um die eigenen Vorlieben; ein Gefühl für eigene Schwächen und Stärken; seine Marotten, seine Talente; die zentralen Zielsetzungen im Leben; das Gewahrsein um eigene Wertungen; die Bewusstheit um Routinen und Rituale; und vieles mehr. Überragt wird das vermutlich zu einer grundlegenden Haltung zu sich selbst: Man mag sich – oder man hadert mit sich.
Was passiert nun, wenn man mit seinem Selbstbild zumindest in wichtigen Bestandteilen unzufrieden ist? Führt das dazu, einfach sein Selbstbild umzudeuten – oder zu versuchen, sich darin zu ändern? Das muss jeder so entscheiden, wie er kann.
Das Konzept des Selbstbildnis geht davon aus, dass man das Fremdbild anderer nicht korrigieren kann. Dies wäre dennoch ein logischer Schritt, auch das einmal zu versuchen. Entweder ändert man sein Verhalten – oder
man ändert die anderen in der Deutung ihrer Beobachtungen.
Ich habe eine Kollegin, die ständig ihr Selbstbild ‚erfüllen‘ muss. Das besteht aus einer Verhaltensweise, die im Dialog oder einer Diskussion eine letzte korrigierende Bemerkung – adressiert an alle – macht, wohl machen muss. Es ist diese Verhaltensweise, für die Besserwisser ungemocht bleiben oder Kinder als altklug bezeichnet werden. Egal, ob die anderen reagieren, die Bemerkung kommt. Sie wird begleitet von einer verkniffenen und fordernden Gestik.
Was kann man hier tun? Sicherlich ließe sich ein partieller Metalog starten: mir ist aufgefallen, dass … Nun ist die Person insoweit berechenbar, als sie sich gegen diesen Anwurf emotional verwehren wird. Oder man sucht den indirekten Weg, indem man das Verhalten als störend beschreibt und bei einer unbekannten dritten Person verortet – in der Hoffnung, es löst bei ihr Verständnis aus.
Ich mag die Übung, sich auf Papier selbst beschreiben zu müssen / dürfen. Denn sofort denkt man an die Charakterzüge, die sozial akzeptiert oder gar gewürdigt werden. Die miesen Seiten lässt man besser weg; wer schon würde sich selbst als Nasenbohrer bezeichnen? Ich persönlich habe dann Gefallen an den strittigen Zügen, die eben nicht eindeutig positiv oder negativ sind. Denn bei einer solchen Übung kommt man mit dem Mitspieler schnell in den Dialog, auch wenn dieser Dialog dann leicht über die – gesellschaftliche – Wertigkeit der Eigenschaft geht.
Ich frage mich übrigens, ob nicht ohnehin Selbstbilder von Stimmungen abhängig sind. Wie häufig unterzieht sich der Mensch überhaupt einer Überprüfung seines Selbstbildes? Was ist, wenn Dissonanzen entdeckt werden? Das Abenteuer Selbstbild kennt nur ferne Grenzen. Jeder sollte es versuchen.