Herr Gauland, mein Nachbar

Kürzlich flammte eine öffentliche Provokation durch den Vor-Denker Alexander Gauland in den Medien auf: er soll bei einem Interview mit FAZ-Redakteuren gesagt haben, dass er den Fußballprofi Boateng ungerne als Nachbarn hätte.

Für wohl alle in der Öffentlichkeit wird dadurch der Verdacht erhärtet, dass AfD-Repräsentanten Abwertung und Beschimpfung gegen Personen mit Migrationshintergrund als Hauptziel verfolgen. Offenbar haben sie dafür unter Deutschen einen Resonanzboden. Es gibt Menschen, die dem nicht nur zustimmen, sondern diese öffentliche Form von Protest und Aggression sogar begrüßen.

Ich jedoch stelle mir vor, wie es wohl wäre, den einen oder anderen zum Nachbarn zu haben. Zuerst Boateng: es warten Teenies vor dem Haus. Der junge Mann wird nur im Sportwagen gesehen, mit dem er sein Grundstück verlässt und wieder betritt. Er ist bekanntlich ein ruhiger Mensch, von dem aufgrund seines physisch anstrengenden Berufs Ausschweifungen nicht zu erwarten sind: keine Parties, keine Drogen, keine wilden Partnerwechsel usw. Er würde vermutlich auch keinen Nachbarschaftsstreit lostreten, da er wenig zu Hause ist und mir nicht wie ein Gartenfreund vorkommt. Kontakt bekäme ich vielleicht bei plötzlichen besuchen seiner Familie aus Berlin oder Ghana, was mich wohl eher belustigen würde. Alles in allem würden wir uns einfach in Ruhe lassen, einen Kontakt haben.

Und dann Herr Gauland: ich befürchtete mit ihm durchaus Potenzial zum Konflikt. Dass er öffentlich streitbar ist und dafür Publikum anzieht (vielleicht gar benötigt), beweisen die letzten Jahre. Ich hoffte nicht, dass er ein Streithansel ist, der mit allem vor das Gericht zieht. Vermutlich würde er sich in der Straße für irgendetwas engagieren, wie Ordnungsregeln, diese selbst vorschlagen würde. Dann würde er vermutlich das ein oder andere Verhalten an mir kritisieren, da er allen Menschen gegenüber seine Ansichten nicht verbirgt oder verschweigen will. Ich kann mir auch vorstellen, dass er zu Gartenfesten mit Volksmusik und öffentlichen Reden einlädt. Das wäre dann schon eher ein Ärgernis auf meiner Seite. Und schließlich würden viele junge und alte Gaulands unsere Straße bevölkern. Ich würde mich dadurch nicht heimischer fühlen, sondern mich weiter zurückziehen.

Für mich ist meine Präferenz für eine Partnerschaft eindeutig: es wäre nicht der Herr im Jägerlook. Und Herrn Gauland müsste man fragen, ob er gerne sein eigener Nachbar wäre.

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