Eine Kollegin von mir ist berechenbar wie ein Schweizer Uhrwerk: alles Unvorhergesehene, Riskante und Schwierige umläuft sie mit schlafwandlerischer Sicherheit. Diese Form von Fehlervermeidung ist lebensklug, da so konfliktuäre und fordernde Situationen umgangen werden.
Die andere Seite des Verhaltens aber ist das Selbstbewusstsein, so eine Weisheit gefunden zu haben, die absolut ist. Mit einer mütterlich anweisenden Miene hat sie in meine Richtung folgende Sätze formuliert: „also ich verstehe mich mit allen Menschen.“ „Und wenn ich verabschiedet werde, dann werden die Kollegen großherzig und mit bedauern reagieren.“ Sie impliziert damit, sie sei schlicht gut, ja höherwertig.
Diese ihre Haltung bestimmt unsere Beziehung. Ihr Muster legt sie bei jedem Zusammentreffen an den Tag. Das Modell der Transaktionsanalyse leistet hierfür einen dankbaren Ansatz, um die Beziehungsspannung zu erklären und die Schräglage verstehen zu können.
Ursache und Folgewirkung einer solchen Haltung sind kaum grundlegend fassbar. Aber einige Gedanken dazu. Über die Ursache von persönlichen Haltungen zu spekulieren kann nicht von Erfolg gekrönt sein, soweit man nicht direkt nachfragen kann.
Aber die Folgen der Haltung und ihre Rolle beim konkreten Handeln sind schon offener für eine Spekulation. Denn immerhin teilt sie einem Mitmenschen ihr Selbstverständnis mit. Sie konstruiert apriori ein Wertgefüge von sich und anderen. Und sie fordert den anderen, dies zu akzeptieren, einschließlich ihrer Positionierung der Makellosigkeit.
Dies ist wohl die schlechteste Voraussetzung zu einer ehrlichen, freundlichen und sachlichen Beziehung zwischen Menschen. Denn die Ehrlichkeit würde verlangen, sich zu erklären, dass ihre Haltung inakzeptabel ist. Eine Freundlichkeit ohne Augenhöhe und Sympathie ist bloße Schauspielerei. Und die Diskussion über ein Thema würde von dieser Haltung immer wieder abgelenkt.
Und so kommt es dazu, dem Menschen am liebsten auszuweichen. Alles andere bedeutete Handeln, das anstrengend wäre.