Ein Sport! Ein anthropologisches Muss? Ein weltweites Phänomen.
Ich erlebe täglich diesen Brass, auch Hass gegen andere: am liebsten gegen Politiker, Polizisten, Lehrer, Fremde und andere Gruppen. Das kann Spaß machen, ‚wenn man es nicht so meint‘. Es kann aber auch handlungsleitend sein. Es kann sogar zum Hauptcharakterzug eines Menschen werden.
Es gibt in der Literatur vielfach den älteren Bruddler, der aus Perspektivlosigkeit nur noch auf Feindseligkeit sinnt. Da gibt es Uwe, der just mit einem schwedischen Film gefeiert wurde – mit auf Basis des erfolgreichsten Buches in diesem Land. Da gibt es die Weihnachtsgeschichte um den bösen Mr. Auch gibt es Tati Danielle, die ihre Umwelt tyrannisiert.
Diese Personen nimmt man mit Verwunderung wahr, platziert sie zu den Außenseitern. Man will mit den Missmutigen und Enttäuschten nichts zu tun haben, die nur noch klagen. Denn man ist ihnen gegenüber nur noch in der Funktion des Publikums, das die Klagen aufnehmen muss. Der Applaus ist dem Bruddler jedoch sowieso egal.
Im Alltag begegnet man ihnen – nennen wir sie Klager – überall: im Supermarkt schnauben sie, weil sich jemand vorgedrängelt hat; im Autoverkehr schimpft man über den, der unbotmäßig die Seite gewechselt hat; im Selbstvergleich bezichtigt man den begünstigten, es nicht verdient zu haben; Politiker werden gescholten, Lehrer verdammt und Prominente verurteilt.
In Internet-Foren scheinen die Klager nun die Oberhand zu gewinnen, stets dort, wo man sich mit der eigenen Stimme melden kann. Vielleicht sind die Klager jedoch nur offensichtlicher, weil man das in Schrift vor sich sieht, und nicht nur hören muss.
Ein Realexperiment fällt mir dazu ein: man müsste den Kläger mit sich selbst einsperren. Ob diese erzwungene Spiegelung etwas erbringen würde, ist pure Spekulation. Immerhin kämen wir so dem Gedanken des Strafrechts nach Sühne nach.
Die Empörung ist die Steigerung des Klagens. Sie ist politisch. Sie macht sich an vielen großen und kleinen wahrgenommenen Missständen fest. Sie sucht natürlich nicht nur nach einem Ventil, sondern nach Gleichgesinnten sowie nach Öffentlichkeit.
Es gibt dort Anliegen, die fassbar sind: wenn beispielsweise eine Bürgerinitiative einen Straßenbau verhindern will. Doch es gibt auch Empörungen, die auf expliziten Ungewissheiten und Ängsten beruhen, wie bei TTiP. In einer Zeit ohne direkte materielle Not ist die jeweilige Empörung auch immateriell. Was früher eine Hungerrevolte war, ist heute eine Demonstration vor dem Sitzes eines öffentlichen Amtsträgern. Was früher aus Verzweiflung um das nackte Überleben Ursache war, ist heute der Wunsch zur Durchsetzung von Ordnungsvorstellungen.
Wissenschaftler und Journalisten erklären denn auch Grundstimmungen als Vorbedingungen politischer Bewegungen. Diffuse bis konkrete Ängste bringen den Menschen in Wallung, wie die Angst vor Flüchtlingen, einer zerstörten Natur oder dem Ausspähen der eigenen Daten.
Bei jeder Empörung sollte man sich einer Analyse Quick-Check unterziehen: ist mit Empörung ein konkretes Ziel verbunden? Kann man das in einem Satz formulieren, den man vor Nachbarn oder Freunden verteidigen kann? Und hätte ich auch als Einzelperson genau diese Empörung entwickelt?