Das Du – ohne Freundschaft

Es wird in so vielen neuen Situationen geduzt. Die Grenzen zwischen Sie und Du verlieren sich.

Hat man eine Auseinandersetzung beispielsweise im Autoverkehr, dann duzt man den vermeintlichen Übeltäter: „Konntest Du nicht aufpassen?“ Dieses Duzen ist klar abwertend: man versichert sich des Du’s, das man den anderen schelten, gar beschimpfen kann.

Dann gibt es diese ‚Berufsjugendlichen’, die immer und unentwegt aus programmatischer Passion duzen. Sie treibt die politische Botschaft, dass wir alle gleich sind. Das sind die alt 68er, die an ihrer Mission festhalten.

Schließlich gibt es Milieus und Wertegemeinschaften, in denen das Du zur Norm gemacht wurde. Ein Beispiel dafür sind die Sozialdemokraten, bei denen alle Genossen auch geduzt werden. Aber auch die Beichte wird im Du geführt. Ohnehin sind Mitgläubige Glaubensbrüder.

Und neuerdings kommt das kollektive Du für ‚man’ in den deutschen Sprachgebrauch. Der Fußball-Besprecher Oliver Kahn hat das popularisiert: „da musst Du ganz locker bleiben.“

Auch populäre Kulturen prägen das Du: schon alleine die englische Sprache macht es schwierig, einen Unterschied zu äußern. Aber auch die Skandinavier eröffnen fast jeden Dialog mit einem anderen Europäer damit, dass man bei ihnen zu Hause ja alle duzen würde.

Ich arbeite in einem Unternehmen, in dem es für gewisse Menschen üblich geworden ist, Vor – und Nachname in einem Rutsch zu nennen. Ganz ehrlich, ich bin noch nicht dahinter gekommen, wieso das schick ist. Vermutlich soll das eine message sein, dass man überlegen ist und sich das herausnehmen darf.

Es gibt jedoch auch dieses Du aus Verlegenheit: das widerfährt uns heutzutage in der Internet-Kommunikation, wenn wir nichts über den anderen wissen, mit dem wir korrespondieren. Das versucht man im Text zu lesen, ob es sich eher um einen jungen oder gesetzten Menschen handelt.

Ich finde schade, dass das Du geradezu erobert wird, ohne dass es sich wehren kann. Und für noch bedauerlicher halte ich das Aussterben des Sie.

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