‚Abhängen‘ ist ein erstaunliches Phänomen: denn das gilt unter Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen als Wert an sich. Vermutlich würden das die Aktivisten mit cool und lässig beschrieben.
Es ist Teil einer Generationskultur geworden.
In meiner Jugend der 1970er und 1980er Jahre war das verpönt, undenkbar und seltsam. Abhängen sahen wir in US-amerikanischen Filmen. Die Szenerie war meist ähnlich: man wusste in einer tristen und abwechslungsarmen Umgebung nichts mit sich anzufangen. In der Logik Hollywoods führte das zu allerlei Versuchen, sich selbst auszuprobieren: Mutproben, Kriminalität und anderes. Es hieß, aus der tristen Welt der Gegenwart auszubrechen.
In meiner Jugend war Abhängen so etwas von uncool, da dies Langeweile und Mangel an Phantasie symbolisierte. Lese oder höre ich das Wort Abhängen, denke ich tatsächlich an die Wurst, die geräuchert wird. Das ist so wenig attraktiv wie irgendetwas.
Heißt denn Abhängen aber vielleicht auch, sich eine Kultur der Pause anzueignen, bevor der Stress des Lebens beginnt? Oder könnte Abhängen auch bedeuten, sich gegen das emsige Treiben der Eltern aufzulehnen? Oder ist Abhängen ein Symbol gegen Leistung und Wettbewerb – also die kapitalistische Lebensweise? Oder ist Abhängen die Chance auf gemeinsames Reflektieren und den Austausch unter Jugendlichen?
Abhängen müsste ein gesellschaftliches Phänomen sein, da doch der Naturmensch in Bewegung war, ja sein müsste: ohne Bewegung keine Nahrung, kein Überleben. Nach diesem Maßstab war Abhängen ganz und gar widernatürlich.
Das zeigt sich auch unter Jugendliche in der Schule: sperrt man sie nicht in den organisierten Bildungserwerb ohne Bewegung ein, geht es ihnen besser. Man blicke auf Kinder: der Zwang zum still Sitzen schafft innere Unruhe, Auflehnung und Unzufriedenheit.
Ein Hoch auf die Bewegung! Nur so bewegt sich etwas!