Von Stevens zu Nagelsmann

Man kann es natürlich auch übertreiben und aus dem Fußball Lehren für das Leben ziehen. Jedoch ist der Fußball ein Panoptikum, in dem sich viele Verhaltensweisen des Alltags spiegeln. Es kann sich lohnen, diese Analogie zu ziehen.

Bei dem Fußball-Erstligisten Hoffenheim ist es vor Monaten zu einem schnöden Wechsel gekommen, von einem 62-jährigen zu einem 28-jährigen. Es war für die Presse spektakulär, weil sich über ein Extremum berichten ließ, eine echte Schlagzeile eben. Da geht ein etablierter Trainer von der Bühne. Und es kommt ein Nobody und Jüngling, der kaum älter als seine Spieler ist.

Spannender jedoch ist, sich diesen Wechsel in seiner mittelbaren Wirkung anzuschauen: die Mannschaft dümpelte auf den unteren Abstiegsrängen, war eigentlich zum Misserfolg verdammt. Das Mittel der Wahl schien für den Club in der Wahl einer erfahrenen Trainerperson zu liegen, die schon mehrmals einen Auftrag zur Verhinderung des Abstiegs erfolgreich erfüllt hatte. Doch das gelingt nicht. Auch nicht mit dem Trainer Stevens, der als schillernd gelten kann. Denn er verkörpert den alten Typus eines Fußballlehrers: streng, fordernd, distanziert, autoritär, strafend usw.

Soweit, so richtig! Denn auf Personen zu vertrauen, die Ähnliches schon einmal erfolgreich geschafft haben, ist logisch. Nun muss man aber die Führungscharaktere (soweit man sie aus der Ferne analysieren kann) auf ihre Eignung für das Heute prüfen, nicht auf die Herausforderungen der Vergangenheit.

Und nun kommt ein junger Unbekannter, der regional viele Vorschusslorbeeren erhalten hat. Er war gar schon als Trainer der ersten Mannschaft für die Folgesaison auserkoren. Die Beobachter müssen rätseln, was ihn wohl dazu macht. Sie sind argwöhnisch, da sie sich nicht erklären können, welche Methoden und Ansätze der junge Mann verfolgt.

Was man dieser Tage nur durch die Reaktionen der Spieler weiß, ist deren neue Zuversicht. Sie äußern sich in Interviews mutig und mit Hoffnung. Zuvor war in ihren Augen zu lesen, dass sie nur darauf schielten, bloß nicht abzurutschen. Statt der Maxime einer Fehlervermeidung kam die der Siegeshoffnung.

Dieser Wandel muss nicht mit Magie erklärt werden. Eher ist es ein Beispiel dafür, das der Welt zeigt, wie rasch ein System, das von einem Dreh- und Angelpunkt aus definiert wird, durch ein neues ersetzt werden kann. Und dennoch und wohl gerade deshalb kann das klappen. Es zeigt auch, wie wenig das ‚alte System‘ verwurzelt war. Die Systembestandteile, nämlich die Spieler, waren eben keine Bestandteile, da sie damit nicht konnten. Auf das neue System ließen sie sich schnell ein, das ihnen, Ihren Werten und ihrer Situation, mehr entsprach.

Man kann hieraus so viele Lehren ziehen, wie ‚überstülpe niemals ein System betroffenen, die nichts damit anfangen können.‘ Mache nicht den System-Bestimmer, den Trainer zum Ausgangspunkt. Ordne nicht Menschen einfach einer Idee unter! Mache nicht Menschen zu Rädchen eines Mechanismus, sondern schaue Dir ihre Zacken an!

 

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