Der Biograph von Donald Trump moniert, dass im Haus Trump kein Buch steht. Als er ihn bei einem Hausbesuch fragte, warum dies so sei, antwortet der Mann: das ist nicht erforderlich. Er habe schließlich eigene Bücher geschrieben und so für neue Wahrheiten gesorgt.
Der Europäer fühlt dann instinktiv: das geht doch nicht! Bücher sind doch der Quell‘ von Reflektion und Bildung! Wer dies nicht zumindest heuchelt, der kann sich doch auch nicht aufspielen, sich zur Leitfigur einer Menge von Menschen zu machen.
Schließlich geht es im europäischen Glauben um die Schlauen und die Klugen, die einzig prädestiniert sein können, ob ihres höheren Könnens und ihrer tieferen Einsichten das Schicksal der Mitmenschen mitbestimmen und lenken zu dürfen. Kurzum, es geht um Expertentum, das sich mit menschenfreundlichem Engagement fruchtbar vereinten muss, um legitim zu sein.
So schwer haben es denn auch andere, die sich öffentlich – im Namen des Gemeinwesens oder einer größeren Gruppe – äußern: der Betriebsrat, der Betroffene, der Berufene usw. Das gilt für viele, die sagen, sie machten Politik – auch wenn sie keine Parteipolitik machen. Auch das sind Menschen, die durch Nachdenken und Beobachten zu Einsichten gelangen.
Der Mensch und Außenseiter Trump hat das auch verinnerlicht, gepaart mit einem Instinkt für das Provozieren von Beifall und einer eigentümlichen Anziehung von Neugierde: Einsiedler oder Außenseiter können eben das auch schaffen. Alle A-Normalen erzeugen wohl auch mehr Neugierde als die Normalen.
Auch wenn dieser Kerl ein ’seltsamer Vogel‘ ist, so sehr begegnen wir doch auch den Trumps in unserem Umfeld. Es gibt die Unbelesenen, die im Leben viel erreichen. Es gibt diese Lebensklugen, die tolle Einsichten über das soziale Miteinander äußern, ohne dies aus der Literatur gewonnen zu haben.
Auch uns selbst wohnt ein Trump inne: denn sind alle unsere Überzeugungen und Glaubensgüter etwa nur durch das eine Modell entstanden: Lesen – Reflektion – individuelle Schlussfolgerungen? Wohl kaum.
Zum Schluss: Trump darf man nicht wegen seiner Ferne zu Büchern verurteilen oder gerade deswegen nicht ernst nehmen. Vielleicht wäre er ‚mit’ Lektüre und Büchern anders geworden. Doch hat er seine Erfahrungen als Milliardär eben auf einem Terrain gemacht, auf dem Literatur und Werke wohl weniger wirkungsvoll sind als Schläue, Machtwille und Anpassungsfähigkeit.
Und was für Trump gilt, gilt auch für so viele andere!