Das Konzept des Besserwissers ist durchweg negativ: wer würde sich schon freiwillig so kennzeichnen? „Gestatten, ich bin ein Besserwisser.“
Nehmen wir ein Beispiel, das die Komplexität des Sachverhalts vorbildlich zu illustrieren weiß. Es gibt zwischenzeitlich den sprichwörtlichen Besserwessi. Er hat gar seinen Platz in den deutschen Wörterbüchern gefunden. Die Genese des Wortes ist vermutlich nicht nachzuzeichnen, doch leicht nachzuvollziehen: da wurde ein marodes Land und System einem anderen größeren angeschlossen, mitsamt der Menschen. Sie mussten ihre Vergangenheit leugnen, verschweigen und ignorieren. All ihre Mühen des Lebens und ihr persönlicher Einsatz standen plötzlich unter Generalverdacht. Ihre Vergangenheit war nichts mehr Wert, somit ihre Identität kolossal in Frage gestellt. Sie mussten sich den neuen Werten des Westens beugen, ganz wie eine Masse Mensch zwangsmissioniert wird. Und das noch aus der Höhe eines staatlich verordneten Selbstbewusstseins, eine größere historische Reife zu haben und moralisch überlegen zu sein.
Und was erfahren wir Wessis, wenn wir gen Osten reisen? Dort werden wir auf Regeln hingewiesen, die es einzuhalten gilt. Es ist ein bisschen wie ein Ausflug in das Kindesalter, während dessen wir täglich 100e von Anweisungen zu befolgen hatten.
Interessant ist, dass immer gegenüber den Besserwissern abgewunken wird: lass sie doch sich einfach nur selbst bedienen! Oh, nerven die, die ständig zu allem und jenem etwas ‚Schlaues‘ beitragen müssen. Soweit, so aus der Seele der Mehrheit gesprochen.
Wie ticken denn aber eigentlich die Besserwisser selbst? Mögen die sich etwa selbst? Lehnen die eigentlich andere Besserwisser ab? Merken die überhaupt, dass sie selbst Besserwisser sind? Können die sich spiegeln? Einmal Besserwisser, immer Besserwisser?
Meine Vermutung ist, dass ein Besserwisser beseelt davon ist, etwas beizutragen. In ihm brodelt ein Bedürfnis, seiner Umwelt etwas mitzuteilen. Er/sie hält sich für jemand, der für seine Umwelt einen Beitrag gibt. Dazu kommt aber häufig auch noch eine zweite Note: der Glaube und die Mission, die Mitmenschen auf ‚Richtiges‘ hinweisen zu müssen.
Tatsächlich gibt es Menschen mit einer Mission, ob sie selbst entwickelt oder von anderen übernommen ist. Missionen erleben ein 3-faches Schicksal: sie schmettern ab und werden ignoriert, können sich weder friedvoll noch gewaltsam durchsetzen. Zweitens, Missionen gehören zur Person und werden durch große Teile des Lebens mitgeschleppt. Und schließlich gibt es Missionen, die sich durchsetzen, weil die Welt den Rahmen und die Situation dafür einräumt: das Christentum, der Personal Computer oder der Umweltschutz.
Eine Mission ist definiert aus Idee und Missionar. Selten jedoch ist dies identisch, auch wenn es historische Figuren und Menschen gibt, die wir als solche bezeichnen können: Mahatma Gandhi, Leif Ericsson, Heinz Nixdorf o.a.
Ist ein Besserwisser jedoch nur der, dessen Aussage nur dadurch wahr wird, weil er sie selbst ausspricht, verliert er den Anspruch auf eine Mission. Er ist dann selbst-gerecht. Und das ist a-sozial. So ist es verständlich, dass der Besserwisser ein nicht geduldeter Außenseiter bleibt.