Ein Leben ohne Anstrengung

Es gibt die Weise vom ‚bore-out’: Menschen langweilen sich, bis sie krank werden. Als Kind kannten wir alle diese Phasen herumhocken zu müssen, ohne tollen zu können. Der Sonntag konnte so langweilen, dass man vor Ruhe und aus Verzweiflung am liebsten geweint hätte.

In Filmen sieht man gelegentlich Szenen aus dem goldenen Käfig: die Tochter aus höherem Haus hasst die Langweile, die ihr Leben prägt. Sie ergibt sich jeglichem Abenteuer, könnte es auch ihre Existenzgrundlage rauben.

Das sollte es heute nicht mehr geben. Und doch: es gibt diese Teile der Gesellschaft, die sich nicht anstrengen müssen, weil ihre materielle Basis gesichert ist: vorneweg ist es der Privatier; doch sind es auch die Lebenspartner, die früher nur Hausfrau, heute immer mehr Hausmann sind; es sind auch die Fürsorgeempfänger. Und dazu gehören auch die Behinderten und Ruheständler.

Was macht das Leben ohne Anstrengung aus uns? Es lässt uns geistig und körperlich schleichend implodieren. Denn der Müßiggang betäubt die anthropologisch bedingte Bewegung. Und das gilt für den Tagesverlauf wie für längere Zeiträume.

Jetzt ist allerdings Schonung, Entspannung, work-life-Balance oder Chillen gerade angesagt – zum Wert an sich geworden. Das Pendel schlägt in eine andere Richtung.

Gerade bei der Fortbewegung wird das offenbar. Denn die Geräte nehmen dem Menschen das Gehen ab, der es ohnehin in Industrieländern durchschnittlich nicht mehr als auf 1 km täglich bringt. Es gibt eBikes, Segways oder Solo Wheels. Was eigentlich für körperlich Benachteiligte oder Behinderte Sinn macht, übernimmt nun der Normalo.

Der menschliche Körper ist durch das Laufen in der Savanne immer mehr gewachsen. Was ist, wenn er nun das Gehen einstellt? Wird er dann kleiner? Geht er in die Breite?

Sorgen muss man sich aber mehr noch über auch die kognitive Entwicklung und die Reifung von Bewusstsein und Mündigkeit machen: schrumpft dann der Kopf parallel zu den Beinen?

Zudem ist körperliches Erleben ein wichtiges Moment in persönlicher Reifung: wer nicht das Aushalten geschafft hat, kennt auch nicht die Überwindung: das damit ausgelöste Glücksempfinden erlebt man dann eben nicht. Wer den Berg nicht bestiegen hat, kennt die Aussicht nicht. Es gibt keinen Glücksschrei oder den Aufschrei ‚geschafft‘.

Hinter Anstrengung steht somit auch das Wissen um das Gesetz von ‚Leistung und Erfolg‘ oder ‚Jagd und Überleben‘. Man kann das durch technische Mittel und Freizeitideologie bestreiten – aber um mit einem sehr hohen Preis.

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