Das Leben als Projekt

Ich begegne immer häufiger jüngeren Menschen, die mir von Muss-Wünschen erzählen: ich muss einen unbefristeten Job haben; ich muss einen Partner finden; mir muss es gut gehen.

Wie gut kann ich das nachempfinden! Es ist grausam, sich nach der Anstrengung von Kindheit und Jugend nicht als Erwachsener fühlen zu können. Wenn die Grunderwartungen nicht erfüllt werden, deckt das die Täuschung auf.

Aber: mir scheinen die jungen Erwachsenen wie an einem ständigen Projekt ‚Leben’ zu basteln. Denn es geht der Altersgruppe immer auch um das Meistern einer Idee. Vielleicht drängt sich dieser Eindruck des ständigen Projektmanagements dadurch auf, dass tatsächlich solche Worte fallen wie ‚das wird mein nächstes Projekt‘.

Bei der Suche nach dem Partner und dem Lebensmodell fällt es mir aber auch auf: die Erwartungen sind klar definiert, ein Bild beschrieben und eine fixe Wunschliste gefertigt. Mir scheinen weder eine Offenheit der Entwicklung noch ein Raum für Kompromiss und Flexibilität zu bestehen.

Und so tendiert die Beschreibung von Erwartungen eher zu Anforderungen an die eigene private und weitere soziale Umwelt. Man fühlt sich bedrängt, so sein zu sollen, wie der oder die andere es erwartet.

Doch stärker noch bedrückt mich, was das Denken in Projekten ausmacht: Die Organisation des Lebens zu beherrschen, gestalten und verantworten zu können. Die Zuversicht ist großartig, die Hybris aber auch.

Das Denken hat ein Muster, das Mitmenschen zu Objekten eines Prozesses macht. Eine Inter-Aktion ist dann nur noch im selbst gesteckten Rahmen möglich. Das nimmt jeglicher sozialer Beziehung so viel an Spontaneität, Offenheit, Entwicklungsmöglichkeit usw. Im Kern: es ent-sozialisiert das Soziale.

Die Partnersuche wird zum ‚Autokauf‘: man schaut sich im Katalog (wie einer Partner-Seite) das Marktprodukt an, prüft dies mit den eigenen Vorlieben gegen und geht dann auf die Suche nach dem Angebot. Das Modell ist im Kopf, nur der Schnäppchenpreis (Wohnen um die Ecke und Eigentumswohnung o.a.) ist noch zu finden.

Noch entsetzlicher ist dann der Versuch, im Coaching das Projektmanagement als Grundmuster aufzubrechen. Denn ist das Coaching nicht selbst ein Projekt? Geht es nicht genau darum, ein Anliegen identifizieren, daran zu wirken und schließlich Erfolg zu haben?

Tja: wir wissen eben nicht, was wir wollen:-)

 

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