Es gibt diese Sequenzen, in denen Menschen in Rührung verfallen.
Meist passiert das mit Blick auf eine starke Emotion, sei es eine negative oder eine positive. Wenn kennt nicht die Rührung der Eltern, deren Kind gerade heiratet? Oder aber dem Jungen man, der seine Mutter zu Grabe tragen muss?
Das Wort Rührung zeigt schon allein, dass die Stabilität des Normalzustandes außer Gleichgewicht gerät. Die stabile Lage wird eben Instabilität und ‚gerührt‘. Das Gefühl der Regung ist vollkommen, da die innere Stimme schweigt, die sonst sagen würde „aber jetzt halt einmal“.
Es gibt Menschen, die sagen, sie seine ‚nahe am Wasser’ gebaut. Ein Zeichen von Rührung könnte sein, feuchte Augen ob eines Erlebens zu bekommen. Statt dies als eine interessante Erhörung zu empfingen, entschuldigt man sich eher bei seinen Mitmenschen.
Dabei ist Rührung ein komplettes Gefühl, wie etwa ‚Gänsehaut bekommen‘. Auch dabei lässt sich schwer entscheiden, ob das Gefühl schön oder nicht ist. Auch der Schauer des Regens oder der kalten Dusche erfasst vollkommen den Körper, ist erschreckend total und irgendwie schön zugleich.
Sagt man, „gerührt gewesen zu sein‘, zeigt dies, dass ein Wesenskern berührt wurde. Gut oder schlecht – auch das ist egal. Doch für Menschen, die einen Alltag leben, der die Konvention der Vielen zu seinem eigenen Standard macht, kann es gut tun sein zu spüren, dass es auch ein anderen gibt als denjenigen, der nach außen seine Funktionen erfüllt und seine Sozialisierung abruft. Denn so darf auch sein innerer Kern für einen Moment befreit werden. Nur was wahrlich bedeutsam ist, rührt den Menschen. Auch die Ausnahme an sich von der Regel, keine Rührung zu erfahren, kann wohltun. Etwa so wie ein anstrengender Urlaub, der eben Routine und Bekanntes durchbricht.
Manche Menschen scheinen Rührung zu konzipieren, ohne darauf zu warten, dass sie an die Tür klopf und hereinkommt. Es sind diejenigen, die spirituelle Handlungen vollziehen, um die Rationalität und das gegenwärtige Denken zu vertreiben.
Aber auch Sport stellt eine Rührung dar. Es gibt diesen Ausdruck des ‚runners high’ für Läufer, die sich wie in Trance durch die Umgebung bewegen: sie haben dann keine Gedanken oder Probleme mehr im Kopf, denen sie zu folgen haben. Vielmehr ist der „Kopf leer“ und befreit. Der eigene Körper aber sorgt dann dafür, Rührung zu erfahren.
Bei Rührung assoziiert man auch leicht das Bild des Soldaten, der sich in Drill und Fremdbestimmung bewegt. Dann sagst der Kommandeur „rührt euch“ und plötzlich ist man nicht mehr Soldat, sondern Mensch. Denn das Regelwerk steht still.
Blicke ich auf mich selbst, so weiß ich keinen Moment der Rührung zu erinnern. Was mir das sagt, kann ich nicht entscheiden. Irgendwie jedoch bin ich nun neugierig geworden, darauf zu achten. Wie häufig spüre ich Rührung? Wie oft käme das wohl in meinem Tagebuch vor? Und was würde aus dem Tage, an dem ich Rührung empfunden hätte?